Brüssel – Während Marine Le Pen von einem „Sieg für das Volk“ sprach, blieb Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach außen gelassen und will sich beim EU-Sondergipfel heute in Brüssel positionieren. Die Niederlage aber schmerzt, hatte Macron die Wahl doch zum Stimmungstest gegen Populisten erklärt. Und die Stimmung sieht Le Pens Partei Rassemblement National (RN, die frühere Front National) vorn. Sie wurde mit 23,3 Prozent stärkste Kraft. Macrons La République en Marche (LREM) kam auf 22,4 Prozent. Die Grünen landeten bei 13,4 Prozent, die Republikaner von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy stürzten auf 8,5 Prozent ab. Zwei Listen der sogenannten „Gelbwesten“ scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde.
Innenpolitisch wird in Frankreich nun eine Kabinettsumbildung erwartet. Inhaltlich wolle er Kurs halten, hieß es aus Macrons Umfeld, als wahrscheinlich gilt, dass er Premierminister Edouard Philippe austauscht.
In Großbritannien kam die erst im Februar gegründete Partei von Brexit-Wortführer Nigel Farage auf fast 32 Prozent. Die konservativen Tories von Premierministerin Theresa May stürzten mit neun Prozent auf Platz fünf ab. Auch die oppositionelle Labour-Partei, die beim Brexit einen Schlingerkurs fährt, kam nur auf rund 14 Prozent. Die proeuropäischen Liberaldemokraten legten kräftig zu und wurden mit rund 20 Prozent zweitstärkste Kraft. Die ebenfalls EU-freundlichen Grünen kamen auf zwölf Prozent. Das Resultat zeigt, wie polarisiert die britische Gesellschaft ist. Parteien, die für einen Brexit ohne Abkommen sind, waren etwa genau so stark wie Parteien, die ein zweites Referendum und eine Abkehr vom EU-Austritt anstreben.
In Österreich wurde die Europawahl überschattet vom Ibiza-Skandal und dem Bruch der Regierungskoalition. Die ÖVP des gestern gestürzten Bundeskanzlers Sebastian Kurz ging mit 34,9 Prozent als klarer Sieger aus der EU-Wahl hervor. Die FPÖ kam auf 17,2 Prozent, 2,5 Prozent weniger als 2014. Die sozialdemokratische SPÖ blieb mit 23,4 Prozent weit hinter der ÖVP.
Spanien ist eines der wenigen EU-Länder, in denen Sozialdemokraten gewannen. Die Sozialisten von Regierungschef Pedro Sánchez kamen nach vorläufigen Ergebnissen auf 32,8 Prozent. Die konservative Volkspartei landete bei 20,1 Prozent, gefolgt von den Liberalen von Ciudadanos (12,2 Prozent) und den Linken von Podemos (10,1 Prozent). Die rechtsextreme Vox kam auf 6,2 Prozent.
Pikant: Der in Belgien im Exil lebende katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont hat zwar einen Sitz im EU-Parlament errungen. Das spanische Wahlrecht sieht aber vor, dass EU-Abgeordnete vor Mandatsantritt in Madrid auf die Verfassung schwören müssen. Bei einer Einreise drohen Puigdemont ein Prozess wegen Rebellion und bis zu 30 Jahre Haft. Puigdemont will nun gegen die Auflage des spanischen Wahlrechts klagen
In Ungarn hat die rechtspopulistische Fidesz von Ministerpräsident Viktor Orban haushoch gewonnen. Sie kam nach ersten Ergebnissen auf 52,3 Prozent, weit vor der Demokratischen Koalition mit 16,2 Prozent. In Polen feierte die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) einen klaren Sieg. Die Partei von Jaroslaw Kaczynski, die seit Jahren mit der EU im Clinch liegt, bekam 45,6 Prozent. Ein pro-europäisches Bündnis wurde mit 38,3 Prozent Zweiter.
In Schweden behaupteten sich die Sozialdemokraten mit 23,6 Prozent, die rechtspopulistischen Schwedendemokraten legten um 5,7 auf 15,5 Prozent zu. Die Moderaten erhielten 16,8 Prozent.
In den Niederlanden hat überraschend die Partei des sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Frans Timmermans mit 18,1 Prozent gewonnen. Sozialdemokratische Siege gab es noch in Portugal, Luxemburg und Malta.