Irgendwann verkommt sogar die Aufarbeitung von „verheerenden“ Wahlniederlagen zur Routine. Mochte Andrea Nahles in Berlin gestern auch von einer Zäsur für die Sozialdemokratie sprechen – die Ratlosigkeit, mit der die SPD dem eigenen Niedergang begegnet, wirkt seit Monaten unverändert. Der Versuch, die Partei sichtbar zu erneuern, während man gleichzeitig in der Großen Koalition gefangen bleibt, bleibt aussichtslos.
Das eine Problem der SPD ist inhaltlicher Natur: Obwohl viele im Land über die wachsende soziale Kluft klagen, können die Genossen mit ihrem neuen Sozialkurs nicht punkten. Zu unglaubwürdig erscheinen ihre Vorstöße, weil die Partei die Sozialpolitik in der Regierung seit Jahren prägt. Das zweite Problem wirkt fast noch größer, wenn auch schwerer zu greifen. Früher galten die Genossen unter Großstädtern, Künstlern, Intellektuellen und allen, die sich dafür hielten, als modern und, nun ja, irgendwie cool. Dieses Milieu war seit den 90ern mindestens so wichtig wie die Arbeiter. Heute wählt es grün.
Der SPD fehlen Köpfe, die für Aufbruch stehen und die Partei für junge Menschen attraktiver machen. Stattdessen wird über eine Rückkehr von Martin Schulz an die Spitze spekuliert. Unfassbar! Darf Nahles auch nach nächsten Dienstag weitermachen? Und sich im Herbst im Osten die nächste „verheerende“ Niederlage abholen?
Mike.Schier@ovb.net