Der Wirbel um AKK

Explosionsartige Erregung

von Redaktion

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Wer Kanzlerin dieses Landes werden will, braucht weder Mitleid noch medialen Welpenschutz – hat aber Anspruch auf Fairness. Das geht gerade unter in der großen Aufregungswelle um Annegret Kramp-Karrenbauer. Zensur! Anschlag auf die Meinungsfreiheit! Untergang des Abendlandes! Nein: Was die CDU-Chefin etwas unbeholfen zu sagen versucht hat, wird erst durch bewusstes Überdrehen und Überspitzen zum Skandal.

Kramp-Karrenbauer hat (spät, zu spät) auf die harten Anti-CDU/CSU/SPD-Videos von Youtubern direkt vor der Europawahl reagiert. Sie sagt – zu Recht –, bei solch harten Wahlempfehlungen klassischer Redaktionen hätte man von „Meinungsmache“ gesprochen. Und man müsse überlegen, ob Regeln aus dem analogen auch für den digitalen Bereich gelten sollen. Wissend, dass viele Youtube-Stars nicht naiv vor die Kamera purzeln, sondern vor Millionenpublikum professionell ein Geschäftsmodell aufziehen, ist das ein berechtigter Anstoß. Zur Erinnerung: In analogen Medien herrscht nirgends Zensur; aber ein viel höheres Maß an Transparenzpflichten und redaktionellen Standards: journalistisch ebenso wie kommerziell. Die sind gerade in sensiblen Wahlkampfzeiten und nicht nur gegenüber Jungwählern wichtig.

Darüber ist zu reden, gerne kontrovers. Aber: Nicht zuhören und sich explosionsartig erregen – dieses immer häufigere Muster zorniger Debatten in sozialen Netzwerken ist unseriös; vor allem unter Beteiligung von Politikern, die AKK vorsätzlich missinterpretieren. Das ist ermüdend und auch gefährlich im Erregungs- wie im Abstumpfungspotenzial. Künstliche Aufregungswellen machen den demokratischen Diskurs kaputt.

Christian.Deutschlaender@ovb.net

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