Neu im Haifischbecken

von Redaktion

Seit dem CDU-Parteitag gilt Annegret Kramp-Karrenbauer als Kanzlerin in spe. Doch zuletzt häufen sich Pannen. Verstolpert sie auf den letzten Metern eine große Karriere? Angeblich kommt auch Angela Merkel ins Grübeln.

VON HAGEN STRAUSS

Berlin – Es gab mal einen Politiker, dem waren die Gesetze des Hauptstadt-Haifischbeckens besonders zuwider. Es hieß, er fremdele mit der Bundespolitik und den Medien. Sein Name: Kurt Beck. Einst erfolgreicher Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz, dann erfolgloser und gestürzter SPD-Chef. Berlin, eine Nummer zu groß für Beck, wurde geurteilt. Gilt das langsam, aber sicher auch für Annegret Kramp-Karrenbauer?

Unter den Hashtags AKKRuecktritt, Akkgate und Annegate las man am Dienstag in den sozialen Netzwerken tausende von Kommentaren – meist keine positiven. Auf ihrer Pressekonferenz nach der vergeigten Europawahl hatte Kramp-Karrenbauer mit Blick auf das Anti-CDU-Video des Youtubers Rezo und dessen politische Wirkung erklärt: „Was wäre eigentlich in diesem Lande los, wenn eine Reihe von, sagen wir, 70 Zeitungsredaktionen zwei Tage vor der Wahl erklärt hätte, wir machen einen gemeinsamen Aufruf: Wählt bitte nicht CDU und SPD. Das wäre klare Meinungsmache vor der Wahl gewesen.“ Möglich wäre das, schließlich herrscht Pressefreiheit. Doch die Zeitungen würden es niemals tun. Das nennt man Vielfalt.

AKK ergänzte, da stelle sich schon die Frage, „was sind eigentlich Regeln aus dem analogen Bereich und welche Regeln gelten eigentlich für den digitalen Bereich“. Der Aufschrei folgte prompt. Sie wolle Zensur vor Wahlen, lautete die Kritik. Bei Twitter erwiderte sie, das sei absurd. Doch der Sturm der Entrüstung blieb – wieder einmal hatten sie und ihre Berater wohl unterschätzt, dass jeder Halbsatz heute auf seine Wirkung abgeklopft werden muss. Denn alles verbreitet sich rasant und millionenfach im Netz, frei und ohne journalistische Prüfung. Das sind die neuen Gesetzmäßigkeiten in der digitalen Welt – fremd für AKK? Hinzu kommen die alten Mechanismen: In Berlin mischen die Medien viel stärker mit als im beschaulichen Saarland. Manches wird aufgeblasen. Wer damit nicht umgehen kann, hat ein Problem. Siehe Kurt Beck.

Der jüngste Vorfall ist jedenfalls der vorläufige Höhepunkt einer Pannenserie der neuen CDU-Chefin, die mit dem verunglückten Karnevalsscherz über das dritte Geschlecht begann. Auch der erste Umgang mit dem Rezo-Video war ein Desaster, wie in der Union eingeräumt wird. Zu spät, zu peinlich sei die Reaktion gewesen. AKK selbst trug dazu mit einer missratenen Einschätzung bei: Die CDU sei wohl auch noch für die „sieben Plagen, die es damals in Ägypten gab“, verantwortlich. Es waren aber zehn Plagen.

Darüber hinaus gilt die herablassende Haltung zu den „Fridays For Future“-Protesten als Fehltritt. Erst nach der Wahl merkte die CDU-Chefin offenbar, wie wichtig Klimaschutz vielen Menschen ist.

Ziemlich viel auf einmal. Die Nachrichtenagentur „Bloomberg“ berichtete gestern unter Berufung auf zwei nicht genannte Quellen aus dem Umfeld Merkels, die Kanzlerin habe inzwischen Zweifel an der Eignung Kramp-Karrenbauers. Merkel wolle daher bis 2021 im Amt bleiben. Bestätigt wurde dies nicht. In Berlin verlautete jedoch, AKK solle den Plan gehabt haben, auf der Klausurtagung am kommenden Sonntag und Montag die Frage der Übergabe der Kanzlerschaft zu besprechen. Das aber ohne Wissen Merkels.

Ihr Verhältnis gilt mittlerweile als getrübt, unter anderem wegen des von AKK initiierten Kurswechsels in der Flüchtlingspolitik.

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