Macron stellt sich gegen Weber

von Redaktion

Beim EU-Sondergipfel zur Besetzung von Spitzenposten liegen Deutschland und Frankreich über Kreuz. Aber das ist längst nicht der einzige Machtkampf, der in den kommenden Wochen ausgefochten wird.

Brüssel – Nach dem EU-Sondergipfel beginnt der Machtkampf um den neuen EU-Kommissionspräsidenten erst richtig. EU-Abgeordnete von CDU und CSU zeigten sich empört, dass sich der französische Präsident Emmanuel Macron gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel und den konservativen Spitzenkandidaten Manfred Weber gestellt hatte. SPD und Grüne kritisierten Macrons Widerstand dagegen, überhaupt einen der Parlamentskandidaten mitzutragen.

Das Vorgehen von Macron und seinen Liberalen im Parlament sei abenteuerlich, sagte der Chef der CDU/CSU-Gruppe, Daniel Caspary. Es sei „sehr schwach“, dass Macron das Spitzenkandidaten-Prinzip ablehne. Das kritisierte auch SPD-Gruppenchef Jens Geier und drohte: „Wir werden jeden Kandidaten durchfallen lassen, der sich nicht als Spitzenkandidat zur Wahl gestellt hat.“ Notfalls werde man einen institutionellen Machtkampf austragen. Die Sozialdemokraten setzen weiter auf ihren eigenen Spitzenkandidaten Frans Timmermans. Daneben hat noch die liberale Kommissarin Margrethe Vestager Ansprüche angemeldet.

Der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold zeigte sich empört„Die Erklärung des Rates ist eine freche Provokation.“ Die Auswahl des Kommissionspräsidenten sei „ein Lackmustest für die europäische Demokratie“.

Was war passiert? Beim Sondergipfel waren die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Länder einer Einigung über die neue Führung der Europäischen Union nicht näher gekommen. Merkel hatte sich für CSU-Vize Weber stark gemacht, den Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei, die im Parlament stärkste Fraktion bleibt. Und die Kanzlerin bekannte sich auch deutlich zum Prinzip der Spitzenkandidaten, das dem Parlament deutlich mehr Gewicht gibt.

Macron und etliche weitere liberale Staats- und Regierungschefs stellten sich jedoch quer und gingen klar auf Distanz zu Weber. Sie beharren darauf, freie Hand bei der Auswahl des neuen Kommissionschefs zu haben. Macron sagte: „Wir brauchen die Besten.“ Gefragt sei ein Kandidat mit starker exekutiver Erfahrung. Weber ist Fraktionschef der EVP und hat keine Regierungserfahrung.

Ein EU-Diplomat verwies darauf, dass die Einigung mit dem Rat durchaus länger dauern könnte als bis zum EU-Gipfel am 20. und 21. Juni. Über Webers Aussichten unter den Staats- und Regierungschefs sagte er: „Weber ist weiter im Rennen, hat aber nur mäßige Chancen. Macron tut alles, ihn zu verhindern.“ Timmermans sei im Rat chancenlos und Vestager stehe ebenfalls kaum besser da. Am Ende setzte der Gipfel EU-Ratschef Donald Tusk als Vermittler ein und beauftragte ihn, bis Ende Juni ein Personalpaket zu schnüren. Tusk bekräftigte, es gebe keinen „Automatismus“, dass nur Spitzenkandidaten in Frage kommen. Genau das hatten die Fraktionschefs einer Mehrheit im Parlament jedoch zuvor beschlossen – allerdings ohne die Liberalen, die mit Macron eine gemeinsame Fraktion bilden wollen.

„Das ist natürlich ein Machtspiel“, sagte die CSU-Abgeordnete Angelika Niebler. Der Prozess sei aber offen. Die EVP stehe als größte Fraktion geschlossen zu Weber, und gegen sie sei im Europaparlament praktisch keine Mehrheit möglich.

Der künftige Kommissionspräsident braucht sowohl im EU-Parlament als auch im Rat der Staats- und Regierungschefs Mehrheiten. Die EVP benötigt neben den Sozialdemokraten mindestens die Grünen oder die Liberalen als Bündnispartner oder auch beide. Im Rat haben die neun liberalen Regierungschefs einschließlich Macron gehöriges Gewicht.

Um ein Bündnis zustande zu bekommen, reden die Parteien über inhaltliche Forderungen ebenso wie über ein Personalpaket, bei dem alle Partner bedacht werden könnten. Gesucht werden nicht nur Nachfolger für Kommissionschef Jean-Claude Juncker, sondern auch für Ratschef Tusk, für die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, für Parlamentspräsident Antonio Tajani und für den Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi. Sie alle scheiden bald aus.

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