Machtmissbrauch durch Männer, ohne Rücksicht auf die Interessen von Frauen, können wir, beim Trojanischen Krieg angefangen, überall in der Geschichte verfolgen. Den ersten Aufstand der Frauen dagegen finden wir im Jahr 411 vor Christus auf der Bühne in der Akropolis von Athen. Im Theaterstück des Aristophanes spielt die selbstbewusste Lysistrata die Hauptrolle. Der Name bedeutet so viel wie „diejenige, die Armeen auseinanderbringt“.
Das war bitter nötig in dieser Zeit. Athen befand sich seit 20 Jahren im verheerenden Peloponnesischen Krieg gegen Sparta. Auf abenteuerliche Weise war dabei gerade eine ganze Armee vor Sizilien verloren gegangen. Männliche Politiker, getrieben von Dummheit, gepaart mit politischem Ehrgeiz, hatten die Soldaten und ihre Schiffe ins Verderben geschickt. Die Frauen von Athen hatten kein Stimmrecht. So konnten sie sich, anders als heute, kein Gehör verschaffen. Unter der Führung von Lysistrata lässt der Komödiendichter Aristophanes aber nun alle Frauen Griechenlands in einen Sexstreik treten, damit die Männer endlich auf sie hören. In einer Schlüsselszene erklärt Lysistrata den auf der Akropolis versammelten, schon recht frustrierten und leicht blass gewordenen Männern, dass auch sie, eine Frau, einen Verstand hat. Sie und alle, die mit ihr streiken, sind es leid, dass ihre Männer ihnen das absprechen. Der Sexstreik endet schließlich in der gemeinsamen Erkenntnis, dass Männer und Frauen vereint dazu da sind, mit gleichem Verstand einander zu helfen.
Lysistrata war natürlich nur eine Fantasie des Dichters, eine Komödie eben, aber doch ein frühes Lehrstück. Kaum zu glauben, dass noch 2400 Jahre vergehen mussten, bis sich die selbstverständliche Erkenntnis der Lysistrata überall durchgesetzt hat.
Noch im Kaiserreich gab es einen Medizinprofessor, der belegen wollte, dass Frauen von Natur aus einfach ein kleineres Gehirn hätten als Männer. Es geschieht ihm recht, wenn stimmt, was behauptet wird, dass nach seinem Tode in einer Obduktion nachgewiesen wurde, wie klein schon rein äußerlich das Gehirn gerade dieses Professors gewesen ist.
Und wie der Krieg doch so oft der Vater aller Dinge ist, so hat der verlorene Weltkrieg 1919 in Deutschland den Frauen endlich das Stimmrecht verschafft und ihnen „grundsätzlich“ gleiche Rechte zugebilligt. Aber im Eherecht blieb es bei der Bevorzugung des Mannes. Erst im gerade 70 Jahre alt gewordenen Grundgesetz steht der befreiende Satz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Im Parlamentarischen Rat stand es noch auf Messers Schneide, ob dieser Satz angenommen werden sollte. Allen voran war es die in Kassel geborene Sozialdemokratin Elisabeth Selbert, die dafür wie ein Wanderprediger durch die Lande zog.
Erst am 3. Mai 1957 hat der Bundestag schließlich die volle Gleichberechtigung auch im Eherecht festgeschrieben. Und erst seit 20 Jahren aber ist auch die Vergewaltigung in der Ehe strafbar. Der Sexstreik einer Lysistrata könnte heute sogar im richtigen Leben stattfinden und nicht nur auf der Theaterbühne wie in Athen des schlimmen Kriegsjahres 411 vor Christus.
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