Lage der Großen Koalition

Ein Bündnis zerbröckelt

von Redaktion

MIKE SCHIER

Die Situation war schon grotesk: Während sowohl Annegret Kramp-Karrenbauer als auch Andrea Nahles die schlimmste Woche erlebten, seit sie den Vorsitz von CDU respektive SPD übernommen haben, hielt Angela Merkel in Harvard eine Rede zur Lage der Welt. Die Immer-noch-Kanzlerin, die sich angesichts der Missgeschicke ihrer CDU-Nachfolgerin plötzlich neuer Zustimmung erfreut, hat sich endgültig vom innenpolitischen Klein-Klein abgekoppelt. Schlechte Wahlergebnisse nimmt sie noch zur Kenntnis, sind aber nicht mehr ihre Angelegenheit.

Was auf den ersten Blick sehr angenehm für Merkel aussieht, ist auf den zweiten brandgefährlich. Das Bündnis unter ihr zerbröckelt. Personell fällt zwar zunächst nur die Krise der Parteivorsitzenden ins Auge. Vor allem Nahles ist nach dem Dauerfeuer innerparteilicher Gegner und eigenen taktischen Fehlern in dieser Woche eigentlich nicht mehr im Amt zu halten. Aber die GroKo plagt auch ein veritables Ministerproblem – vor allem auf CDU-Seite: Von den Altmaiers, von der Leyens oder Karliczeks kann niemand mehr ernsthaft Impulse erwarten.

Auch inhaltlich driftet die Koalition auseinander. Bei der Grundrente kracht es seit Monaten. Teile der SPD wollen das Abschiebe-Gesetz aufschnüren, womit auch das Zuwanderungsgesetz für Fachkräfte wackelt. In der Union revoltieren Abgeordnete gegen den geplanten Kohleausstieg. Geordnetes Regieren geht anders. Trotzdem wollen sie in Berlin weitermachen. Nur: An der SPD-Basis wird der Ruf nach einem Neuanfang immer dringlicher. Der Tag, an dem sich die Spitze beugen muss, rückt näher.

Mike.Schier@ovb.net

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