Das GroKo-Paket: Locken und drohen

von Redaktion

Die Große Koalition beteuert, sie sei besser als ihr Ruf. Als Beleg präsentieren die Fachpolitiker ihr Migrationspaket: acht Gesetze zu Fachkräften, Integration, Duldung und zur Rückkehr von Migranten. Es soll jetzt schnell gehen.

VON HAGEN STRAUSS UND CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Berlin – Mitten im Trubel kann Schwarz-Rot einen weiteren Haken im Koalitionsvertrag machen. Vereinbarungsgemäß schnüren Union und SPD ein Gesetzesbündel zu Migration und Fachkräftemangel. Bis zuletzt wurde um Details gestritten. Man habe die Entwürfe verbessert, sagen die Fachpolitiker. Kritiker sagen: verschärft. Wenn Bundestag und Bundesrat zustimmen, könnten die ersten Gesetze bereits Anfang August in Kraft treten. Grüne und Flüchtlingsverbände kritisieren vor allem Verschärfungen der Abschiebepraxis.

Im Zentrum steht das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Laut Studien würden alsbald bis zu 300 000 ausländische Fachkräfte jährlich benötigt, sagt die SPD-Innenpolitikerin Eva Högl. EU-Binnenmigration reiche nicht. Dabei werde klar zwischen legaler und illegaler Zuwanderung unterschieden, betont die CDU.

Konkret: Die Beschränkung auf Mangelberufe entfällt, ebenso die Vorrangprüfung. Erstmals besteht die Möglichkeit für Nicht-EU-Ausländer, sechs Monate lang einen Job zu suchen, wenn man seine Qualifizierung belegen kann. Zugleich soll eine Zuwanderung in die Grundsicherung verhindert werden – wer älter als 45 Jahre ist, muss einen Job mit mindestens 3700 Euro brutto monatlich haben „oder eine sonstige, angemessene Altersversorgung“, erläuterte der CDU-Innenpolitiker Thorsten Frei. Geändert werden auch die Regeln für ausländische IT-Kräfte ohne formalen Abschluss: Es reicht künftig, wenn sie drei (bisher fünf) Jahre in der Branche gearbeitet haben. Mindestbrutto: 50 000 Euro im Jahr. „Wir wollen Migration in den Arbeitsmarkt, aber keine in die sozialen Sicherungssysteme“, erklärt der CDU-Mann.

Im Umgang mit „Geduldeten“ will die Koalition genauer differenzieren. Dabei handelt es sich um Menschen, die ausreisepflichtig sind, aber zum Beispiel wegen der Situation in ihrem Heimatland nicht abgeschoben werden. 2018 waren es 180 000 Betroffene. Für sie wird eine Beschäftigungsduldung (30 Monate) eingeführt, wenn sie zuvor seit 18 Monaten ihren Lebensunterhalt selbst verdient haben. Danach winkt ihnen Aufenthaltsrecht. Beschränkt wird die bis Ende 2023 befristete Regelung aber auf Altfälle. Stichtag: Einreise vor dem 1. August 2018, um Sogeffekte zu verhindern. Erleichtert wird die Ausbildungsduldung. Kriminelle Ausländer und Gefährder sind von beidem ausgenommen.

Verschärft werden soll das Abschieberecht mit dem „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“: Ausreisepflichtige Ausländer, die ihre Abschiebung verhindern, sollen leichter in Haft genommen werden können. Wegen des Mangels an Abschiebehaft-Plätzen – es gibt laut CDU bundesweit nur 479 – erhalten die Bundesländer das Recht, diese Menschen in „normalen“ Justizvollzugsanstalten unterzubringen. Außerdem wird eine „Mitwirkungshaft“ eingeführt, wenn jemand sich der Identitätsklärung verweigert.

Geändert wird das Asylbewerberleistungsgesetz: Danach sollen die Leistungen an Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts angepasst werden. Kosten für Strom und Handwerker gibt es nur als Sachleistungen. Wer in Sammelunterkünften untergebracht ist, erhält zudem einen geringeren Satz.

Ein neues Gesetz regelt die Wohnsitzauflage für Asylbewerber. 2016 war für anerkannte Geflüchtete die Pflicht (befristet bis August 2019) eingeführt worden, drei Jahre in dem Bundesland zu bleiben, in dem ihr Asylverfahren läuft. Mit dem neuen Gesetz bleibt die Auflage dauerhaft. Zudem können die Länder einen Wohnsitz zuweisen oder den Zuzug in bestimmte Orte untersagen. Ausnahmen gibt es in Härtefällen oder wenn anderswo ein Job gefunden wird.

In einem weiteren Schritt soll mittelfristig das Staatsangehörigkeitsgesetz neu gefasst werden. Klar ist, dass Personen in Mehr-Ehen von der Einbürgerung ausgeschlossen werden. Und: Bisher können die Behörden Einbürgerungen innerhalb von fünf Jahren widerrufen, künftig zehn. Hier knirschte es zwischen Innen- und Justizministerium. Interessant: Gestern Abend wurde Horst Seehofer (CSU, Innen) beim Besuch bei Katarina Barley (SPD, noch kommissarisch Justizministerin) beobachtet. Entspannungssignale?

Im Bundesrat ist das Gesetz für 28. Juni eingeplant, verlautet aus Berlin. Wie sich dort die grün mitregierten Länder verhalten, ist offen.

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