„Kramp-Karrenbauer wäre die falsche Kandidatin“

von Redaktion

Forsa-Chef räumt Union mit Armin Laschet bessere Chancen ein, rät aber von Neuwahlen ab

München – Würde am kommenden Sonntag ein neuer Bundestag gewählt, wären die Unionsparteien laut dem Meinungsforschungsinstitut Forsa mit 24 Prozent nur zweitstärkste Kraft. Die Grünen kämen auf 27 Prozent. Für Forsa-Geschäftsführer Manfred Güllner liegt das auch an CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Er glaubt trotzdem, dass eine neuerliche Personaldebatte der Union schaden würde.

Herr Güllner, wie erklären Sie sich das schwache Abschneiden der Union in der aktuellen Forsa-Umfrage?

In Umfragen lag die Union schon in den Monaten vor der Europawahl teilweise unter 30 Prozent. Annegret Kramp-Karrenbauer hat die Erwartungen enttäuscht, ihre anfänglich hohen Sympathiewerte sind zurückgegangen. Hinzu kam, dass durch die Zuspitzung auf das Klima-Thema und das Rezo-Video wahrscheinlich mehr junge Menschen als sonst zur Wahl gegangen sind. Die eigentliche Sensation ist, dass die Grünen nun nach der Wahl die Union überholt haben.

Wie kam es zu diesem Sprung der Grünen?

Das hat damit zu tun, dass Union und SPD jetzt glauben, Klimaschutz sei das entscheidende Thema gewesen. Plötzlich gibt es in diesen Parteien nur noch Umweltpolitiker. Die Erfahrung zeigt, dass so eine thematische Verengung eher dem Original, in diesem Fall den Grünen, Wähler zutreibt.

Könnte neues Spitzenpersonal die Umfragewerte der Union kurzfristig verbessern?

In unseren Untersuchungen wünschen sich weit über 60 Prozent der Wähler, dass endlich Ruhe reinkommt und die Koalition arbeitet. Und zwar mit Merkel. 70 Prozent der Befragten sagen, sie soll bis 2021 bleiben. Dann könnte die Union in Ruhe darüber nachdenken, wen man als Merkel-Nachfolger nimmt.

Für die Union wäre es also trotz rückläufigen Zuspruchs ratsam, an der Koalition festzuhalten?

Die Grünen müssen ihre Umfragewerte erst mal halten, würden bei Neuwahlen aber sicher besser abschneiden als bei der letzten Bundestagswahl, Union und SPD dagegen schwächer. Für die Koalition wäre es ratsam, sich zusammenzuraufen und sich um die anderen für die Menschen wichtigen Themen wie Bildungspolitik, Altersversorgung und Infrastruktur in Stadt und Land zu kümmern.

Wenn es doch zu vorzeitigen Neuwahlen kommen sollte: Wäre Kramp-Karrenbauer die richtige Kandidatin für die Union?

Nein. In aktuellen Umfragen halten sie 70 Prozent nicht für fähig, Kanzlerin zu sein.

Welcher ihrer potenziellen Konkurrenten hätte die besten Aussichten?

Friedrich Merz ist gerade bei den zur Mitte tendierenden Wählern, die jetzt zu den Grünen gehen, nicht sonderlich beliebt. Das hat die Diskussion um die Nachfolge von Angela Merkel als CDU-Vorsitzende gezeigt. Diese Wähler könnte Armin Laschet am ehesten binden.

Wie aussagekräftig ist das aktuelle Stimmungsbild?

Der Sprung der Grünen nach vorne hat sich direkt nach der Europawahl abgezeichnet. Solche Sprünge schleifen sich auch oft wieder ab. Die Entwicklung muss man abwarten. Aber jedenfalls zeigt sich, dass die Grünen sich Akzeptanz in Schichten geschaffen haben, in denen sie sie bisher nicht hatten.

Interview: Stefan Reich

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