Machtwort im heiklen Moment

von Redaktion

In der Union nimmt die K-Frage Fahrt auf. Ist Kramp-Karrenbauer die richtige Kanzlerkandidatin? Der Chef der Abgeordneten im Bundestag, Ralph Brinkhaus, legt sich auf sie fest. Seine Parteifreunde wollen die Debatte stoppen.

VON JÖRG BLANK, RUPPERT MAYR UND CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Berlin – Vor ein paar Tagen hat Ralph Brinkhaus ein eher staatstragendes Interview gegeben. In der Politik komme es „auf die langen Linien an, nicht auf das Momentum“, sagte er, man müsse „Ruhe bewahren“. Nun ja – es sieht so aus, als würde der Chef der Unionsfraktion jetzt seine eigenen Vorschläge nicht beachten. Mit einer forschen und öffentlichen Festlegung auf die Kanzlerkandidatur sorgt er mitten in der Pfingstpause für mächtig Wirbel in der Bundespolitik.

Vor Journalisten sagt Brinkhaus, die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer „wird auch unsere nächste Kanzlerkandidatin sein“. Er sagt nicht „könnte“. Nicht „dürfte“ – sondern: „wird“. Sich so klar zu äußern, klingt wie ein freundlicher Zug gegenüber Kramp-Karrenbauer, beinhaltet aber große Risiken und ist womöglich schädlich.

Die CDU-Chefin durchlebt derzeit ein Tief. Die Diskussion über die Patzer im Umgang mit dem Anti-CDU-Video eines Youtubers und der Klimadebatte ist gerade erst abgeflaut, sie hat tiefe Spuren hinterlassen – ein historisches Europawahlergebnis von unter 30 Prozent und sinkende Beliebtheitswerte. Aktuell würden nur 16 Prozent der Deutschen die CDU-Vorsitzende zur Kanzlerin wählen, gäbe es eine Direktwahl.

Kramp-Karrenbauer hätte im Moment lieber Ruhe als eine Personaldebatte. Das ist auch eine strategische Frage: Die Union hatte sich angesichts der mächtig wackelnden SPD darauf verständigt, nicht von einem vorzeitigen Ende der Legislatur zu reden. CDU und CSU wollen nicht verantwortlich für ein Platzen der Koalition sein. Die eigenen Anhänger würden das kaum goutieren, heißt es da. Solle doch die SPD mit diesem Schwarzen Peter als Ballast in die Wahl ziehen.

Brinkhaus ist nicht der Einzige, der für Bewegung sorgt. Auch die lose organisierte konservative „Werte-Union“ heizt die Debatte an: Sie fordert eine Urwahl des nächsten Kanzlerkandidaten. Das gilt aber eher als Rückendeckung für Friedrich Merz, sozusagen ein Aufschnüren der knappen Parteitags-Entscheidung für AKK.

Führende Unionspolitiker bemühen sich, die Debatte wieder einzufangen. „Da werden Karten gemischt, die noch gar nicht auf dem Tisch liegen“, sagt fassungslos ein wichtiger CDU-Mann über die K-Diskussion. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, in der Partei als stellvertretender Vorsitzender hoch angesehen, betont, die CDU-Chefin habe das Erstzugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur. „Das war immer so und das bleibt auch so.“

CDU-Strategen rätseln darüber, was Brinkhaus zu seiner Festlegung getrieben hat. Er habe AKK bei deren Wahl zur Vorsitzenden ja unterstützt und wohl die Debatte über ihre Fähigkeiten zu ihren Gunsten beenden wollen, meinen manche. Von einem verbalen Unfall reden andere, einem Bärendienst, der die Debatte über ihre Eignung verstärke. Eröffnet hatte diese Debatte allerdings nicht Brinkhaus – sondern NRW-Regierungschef Armin Laschet, als er sagte, mit der Vorsitzendenwahl sei noch keine Entscheidung über die Kanzlerkandidatur verbunden. Er hielt sich eine eigene Kandidatur indirekt offen.

Auch die CSU-Spitze ist unglücklich über die AKK-Sache. Dort werden die sinkenden Werte der CDU-Chefin zwar genau beobachtet. Eine Personaldebatte will der CSU-Vorsitzende Markus Söder aber derzeit nicht. „Das entscheiden CDU und CSU zu gegebener Zeit“, antwortet er seit einer guten Woche auf alle K-Fragen. Söder betont das gute persönliche Verhältnis zu Kramp-Karrenbauer, hat auch selbst Erfahrungen damit, nach zwei, drei unglücklichen Auftritten mal in der Kritik zu stehen. Er wirbt intern aber sehr dafür, die Union müsse jetzt stabil auftreten. CSU-Fangruppen für Merz und Kritiker an Merkel verhalten sich deshalb derzeit alle still. Das Zeitfenster für einen schnellen Wechsel im Kanzleramt sei zu.

Eine glasklare Meinung zu all dem hat Merz selbst parat. Was mache die CDU beispielsweise, wenn es nicht zwei, sondern drei Kandidaten bei einer Urwahl gebe – und das Ergebnis nicht eindeutig ausfalle, fragt er rhetorisch. Und zur Kandidatendebatte hat er nur die Worte übrig: „Das ist eine völlig irre Diskussion. Punkt.“

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