Rom – Italiens Innenminister Matteo Salvini setzt beim Thema Migration auf eine Linie der Null-Toleranz. Auf Druck seiner rechtsnationalen Lega verabschiedete das Kabinett ein Dekret, das es Seenotrettern unmöglich macht, mit ihren Schiffen einen italienischen Hafen anzulaufen, ohne schwere Strafen fürchten zu müssen. In Zukunft sollen Geldstrafen bis zu 50 000 Euro fällig werden, sollte ein Boot mit Migranten an Bord ohne Erlaubnis am Stiefel anlanden.
Strafbar machen sich künftig nicht nur Kapitän und Besatzung, sondern auch Betreiber und Halter der Schiffe. Betroffen von der neuen Regelung sind neben Nichtregierungsorganisationen auch Militär- und Handelsschiffe.
Seine eigene Macht weitete Salvini mit dem Dekret aus: Genehmigungen für die Einfahrt in die Häfen des Landes sollen nicht mehr, wie bisher üblich, vom Transport-, sondern vom Innenministerium erteilt werden. Mit Verkehrsminister Danilo Toninelli vom Movimento 5 Stelle war Salvini immer wieder aneinandergeraten, da dieser nach Geschmack der Lega zu großzügig bei Notfällen auf hoher See gewesen sei.
Politische Beobachter meinen, der Lega-Chef wolle mit seiner neuen Inszenierung von Härte das Thema Flüchtlinge am Kochen halten, obwohl es an Italiens Küsten längst keinen Notstand mehr gebe. Doch wie die Europawahlen gezeigt hätten, ziehe das Thema bei einem wichtigen Teil der Wähler. Die Gesetzesvorlage, die noch von Kammer und Senat abgesegnet werden muss, dürfte der politische Preis gewesen sein, den Salvini eingefordert habe, um die Koalition mit den 5 Sternen vorerst fortzusetzen. Vor wenigen Tagen stand die Regierung noch vor dem Bruch; ein Krisentreffen jagte das andere. Im Gegenzug, so berichten italienische Medien, wollten die rechten Populisten darauf verzichten, den Streit mit der EU-Kommission um ein Defizitverfahren eskalieren zu lassen.
Bei Vereinten Nationen und Rettungsorganisationen herrscht blankes Entsetzen über die Pläne Roms. Sie sehen einen Verstoß gegen die Menschenrechte. Das Vorhaben heize das „ausländerfeindliche Klima gegen Migranten“ weiter an und kriminalisiere pauschal Hilfsorganisationen. „Dieser Ansatz ist irreführend und steht nicht im Einklang mit dem allgemeinen Völkerrecht und den internationalen Menschenrechtsnormen“, heißt es in einem Brief des UN-Menschenrechtsbüros an Italien. Stattdessen würden solche Maßnahmen den Menschenhandel nur noch verstärken. Und die Zentrale des Vereins Ärzte ohne Grenzen erinnerte: „Seit Italien vor einem Jahr die Aquarius am Einlaufen gehindert hat, sind im zentralen Mittelmeer mindestens 1151 Männer, Frauen und Kinder auf der Überfahrt ertrunken.“
Zuletzt hatte Salvini der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch verboten, in Italien anzulegen. Der Kapitän fuhr wegen stürmischer See dennoch in italienische Gewässer ein. Gegen ihn wird wegen Beihilfe zu illegaler Einwanderung ermittelt. Die privaten Retter sind derzeit wieder mit der „Sea-Watch 3“ im Einsatzgebiet vor Libyen. „Wenn Menschen in Seenot sind, ist das internationale Recht sehr klar darüber, was zu tun ist. Das werden wir auch weiterhin tun“, erklärte Sprecher Ruben Neugebauer. „Unterlassene Hilfeleistung ist eine Straftat und für uns keine Option.“ Der Sprecher der Regensburger Hilfsorganisation Sea-Eye, Gordon Isler, kritisierte, Italien versuche, sich mit Geldstrafen gegen Rettungskräfte aus der völkerrechtlichen Verantwortung zu stehlen.
Endgültig schließen will das Innenministerium nach Angaben Salvinis auch das Asylauffangzentrum in Cara di Mineo an der sizilianischen Südküste. Dort befinden sich zur Zeit 152 Migranten und warten auf die Prüfung ihres Asylersuchens. Zum Vergleich: Am Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Juli 2014 waren es 4173.