Manama – Wenn es einen neuralgischen Punkt für den internationalen Öltransport gibt, dann ist es die Straße von Hormus. Täglich passieren schwere Tanker die schmale Meerenge zwischen dem Iran und seinen Erzfeinden auf der Arabischen Halbinsel. Sie versorgen die Welt mit dem lebenswichtigen Rohstoff. Doch schon seit Wochen wachsen dort die Spannungen zwischen den Rivalen – und erreichen nach weiteren mysteriösen Zwischenfällen mit zwei Handelsschiffen unweit der iranischen Küste einen neuen Höhepunkt. Die Sorgen vor einem bewaffneten Konflikt wachsen, die Ölmärkte reagieren nervös.
Was sich genau gestern am Golf von Oman abspielte, blieb zunächst völlig nebulös. Im Morgengrauen gingen bei der US-Marine zwei Notrufe ein, wie Washingtons 5. Flotte, die im Golf-Königreich Bahrain stationiert ist, meldete. Betroffen waren zwei Tanker einer deutschen und einer norwegischen Reederei. Die „Front Altair“ des Unternehmens Frontline aus Norwegen war unterwegs nach Fernost, als am frühen Morgen an Bord Feuer ausbrach. Die Reederei spricht von einer Explosion, will aber einen Angriff nicht bestätigen, von dem das norwegische Seefahrtsamt gesprochen hatte. Bilder der iranischen Agentur Isna zeigen Flammen und eine dicke Rauchsäule. Auch die japanische Firma Kokuka Sangyo erklärt, ihr Tanker „Kokuka Courageous“ sei in die Vorfälle verwickelt. Das von der deutschen Reederei Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM) gemanagte Schiff – unterwegs Richtung Singapur – wurde beschädigt und setzte einen Notruf ab. 21 Seeleute – alle von den Philippinen – wurden von Bord des Tankers unter panamaischer Flagge gebracht. Ein US-Marineschiff nahm sie auf.
Die Zwischenfälle passieren zu einer Zeit, in der die Sorgen vor einem militärischen Konflikt in der Region ohnehin stark gewachsen sind. Die USA haben nicht nur das Iran-Atomabkommen einseitig aufgekündigt, sondern mit ihrem Verbündeten Saudi-Arabien auch den Ton gegenüber Teheran verschärft. Washington setzt das Land mit Sanktionen unter Druck und entsandte einen Flugzeugträger sowie eine Bomberstaffel in den Nahen Osten.
Auch für die aktuellen Zwischenfälle machen die USA den Iran verantwortlich. Außenminister Mike Pompeo sagte gestern, das sei die „Einschätzung der US-Regierung“, und verwies unter anderem auf Geheimdienstinformationen. Auf Twitter schrieb er, es handele sich um eine „nicht hinnehmbare Eskalation der Spannung durch den Iran“.
Doch sind die beiden Schiffe angegriffen worden? Die Vorfälle erinnern sehr an ähnliche Ereignisse in derselben Region vor vier Wochen. Damals meldeten die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), ein Verbündeter Saudi-Arabiens, Sabotageakte in ihren Gewässern gegen vier Handelsschiffe und sprachen klar von „staatsfeindlichen Operationen“.
In einem Untersuchungsbericht der VAE, Saudi-Arabiens und Norwegens an den UN-Sicherheitsrat war die Rede von Haftminen, die wohl Taucher mit Schnellbooten angebracht hätten. Die Ermittler sahen „starke Anzeichen“, dass ein staatlicher Akteur hinter den vier Angriffen stehe. Wer damit gemeint war, war klar: der Iran.
Saudi-Arabien nutzte die Vorfälle, um seine Rhetorik gegen das Land zu verschärfen. Schon seit Wochen läuft die Propaganda in Riad heiß und lässt kaum eine Gelegenheit aus, mit dem Finger auf den Erzrivalen zu zeigen. Die saudische Führung sieht sich vom Iran bedroht. Die Zwischenfälle vor vier Wochen spielten der Führung in Riad so sehr in die Hände, dass sogar Spekulationen aufkamen, sie könnten von dort aus inszeniert worden sein.
Auffällig ist bei den beiden neuen Zwischenfällen, dass sie genau an dem Tag geschahen, als der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe in Teheran weilte, um den Konflikt zu entschärfen – was den saudischen Interessen zuwiderlaufen würde. Den Herrschern in Riad dürfte deshalb die Reaktion des US-Präsidenten gefallen haben. Trump twitterte, er wisse die Bemühungen von Abe zu schätzen. Für einen Deal mit dem Iran sei es aber viel zu früh.