Zwischen Warnen und Zündeln

von Redaktion

Die Lage am Golf hat sich nach den Attacken auf zwei Tanker weiter verschärft. Der Iran und seine Kontrahenten beschuldigen sich gegenseitig. Dahinter steckt ein Kampf um die Macht in der Region.

VON M. DONHAUSER, J. KUHLMANN UND F. MOTAHARI

Teheran – Explosionen auf Tankern, Flammen und Rauch auf einem Schiff, Besatzungsmitglieder, die gerettet werden müssen – die Nachrichten vom Golf klingen wie aus dem Vorspiel eines Kriegsfilms. Sie verschärfen weltweit die Sorgen, in der Region könnte es tatsächlich zu einer militärischen Eskalation kommen. Doch viele Fragen sind offen – vor allem ist es völlig unklar, was genau am Donnerstagmorgen im Golf von Oman geschah und wer dahinter steckt.

Die USA und ihr Verbündeter Saudi-Arabien, aber auch der Iran beteuern, sie wollten keinen Krieg. Gleichzeitig überziehen sie sich mit gegenseitigen Vorwürfen. Washington übt mit dem Ausstieg aus dem Atomabkommen und den Sanktionen nicht nur wirtschaftlichen Druck auf den Iran aus, sondern entsandte auch einen Flugzeugträger und eine Fernbomberstaffel.

Auch die Propaganda Saudi-Arabiens läuft seit Wochen heiß. Der Leitartikel eines saudischen Blattes forderte von den USA sogar „chirurgische Angriffe“ auf den Iran. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein militärischer Konflikt ausbricht, weil zu viele Kontrahenten gezündelt haben. UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnt vor einer „großen Konfrontation“.

Über die Hintergründe der neuen Eskalation lässt sich nur spekulieren. Irans Gegner werfen Teheran einen Angriff auf die Tanker vor. Das US-Militär veröffentlichte am Freitag ein Video, das angeblich zeigt, wie Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden eine nicht explodierte Haftmine von der „Kokuka Courageous“ einer deutschen Reederei entfernen.

Sollte Teheran tatsächlich verantwortlich sein, könnte die dortige Führung damit ihre Drohung untermauern wollen, die wichtige Straße von Hormus für den Schiffsverkehr zu sperren – was Einfluss auf die Versorgung der Welt mit Öl hätte. Dagegen deutet der Iran an, seine Gegner könnten den Zwischenfall inszeniert haben, um einen Vorwand zu haben, noch härter gegen das Land vorzugehen – und es möglicherweise anzugreifen.

Dahinter steckt ein Machtkampf der stärksten Regionalmächte. Das sunnitische Königreich Saudi-Arabien und auch die Vereinigten Arabischen Emirate sehen im schiitischen Nachbarn Iran einen Erzfeind. Dabei geht es nicht nur um religiöse Unterschiede, sondern auch um politischen Einfluss, Zugriff auf Ressourcen und die Kontrolle von Handelswegen. Saudi-Arabien wirft dem Iran vor, sich in die inneren Angelegenheiten der arabischen Welt einzumischen. Und in der Tat ist der Arm Teherans mittlerweile lang.

Aber auch der Beitrag Saudi-Arabiens ist gewaltig. Seit der Thronbesteigung des greisen Königs Salman Anfang 2015 hat das Land seine Politik gegenüber dem Iran verschärft. Der eigentliche starke Mann ist Salmans Sohn, Kronprinz Mohammed bin Salman (33), ehrgeizig und mit einer einzigartigen Machtfülle ausgestattet. Viele Beobachter halten ihn für unberechenbar, zu allem fähig und für einen Scharfmacher. So führen die Spuren des brutalen Mords an dem regierungskritischen saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in sein direktes Umfeld.

Die Straße von Hormus ist für die Ölstaaten am Persischen Golf von enormer Bedeutung. Ein großer Teil der globalen Versorgung verläuft durch das Nadelöhr, das an der engsten Stelle knapp 50 Kilometer breit ist. Allerdings schätzt der Rohstoffexperte Frank Schallenberger von der Landesbank Baden-Württemberg die Wahrscheinlichkeit einer Sperrung gering ein. Wichtige Förderländer hätten ein starkes Interesse an reibungslosen Passagen. Sie dürften starken Druck ausüben, damit Öl-Lieferungen gewährleistet bleiben.

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