Gauck und die AfD

Die Kunst, eine Grenze zu ziehen

von Redaktion

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Wenn alle ganz fest die Augen zumachen und so tun, als wäre die AfD nicht da – verschwindet sie dann wieder? Nein, tut sie nicht. Stattdessen muss man sich mit dem rechten Rand differenzierter auseinandersetzen als Moralisierer und Polarisierer im Internet, die nach Abgrenzung durch Ausgrenzung rufen. Deswegen ist es auch diffamierend, den Einwurf des Ex-Bundespräsidenten Gauck als „Toleranz-für-Nazis“-Quatsch abzutun. Er, der Ostdeutsche mit dem bisweilen etwas penetranten „Freiheits“-Ruf – selbst gewiss nicht rechts der Mitte zu finden – wirbt dafür, konservative Wähler am rechten Rand nicht aus dem demokratischen Spektrum zu drängen.

Gauck hat Recht, weil er eine Differenzierung einfordert bei der heterogenen AfD-Wählerschaft. Noch immer sind dort frustrierte Konservative (Gauck deutet weise an: von Merkels Migrationspolitik Enttäuschte), Nationalpatrioten, Modernisierungsverlierer, apolitische Protestwähler und unverbesserlich Rechtsextreme zu finden. Gleichzeitig dominiert in der Partei immer stärker der völkisch-nationale Flügel. Wer das alles in einen Topf wirft und zum braunen Brei erklärt, mag sich vielleicht moralisch überlegen fühlen – vergibt aber die Chance, Wähler zurückzugewinnen. Eine scharfe Grenze zu Rechtsradikalen zu ziehen, ist wichtig. Gauck erinnert aber daran: Die Grenze muss an der richtigen Stelle verlaufen.

Christian.Deutschlaender@ovb.net

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