Berlin – Wer geglaubt hat, dass sich Friedrich Merz nach der knappen Niederlage bei der Wahl zum CDU-Vorsitz zurückhaltend geben würde, der hat sich relativ schnell getäuscht gesehen. Der Sauerländer meldet sich immer wieder laut und teils provokant zu Wort. Jetzt scheint er sogar die nächste Runde im parteiinternen Kampf um die Macht eingeläutet zu haben. So jedenfalls wird es in der Union gesehen.
Eine der Fragen, die ihm TV-Talkerin Sandra Maischberger am Mittwoch hinsichtlich einer Kanzlerkandidatur stellte, war die: „Was ist denn, wenn Frau Kramp-Karrenbauer Sie anruft und fragt, Friedrich, willst du es machen?“ Merzens Antwort lautete: „Dann denke ich darüber nach.“ Nachfrage: „Hat sie schon?“ „Nein“. Gelächter. Erst wenn es so weit sei, fange er an, sich damit auseinanderzusetzen, ergänzte der 63-Jährige. Das sagen Politiker immer. Meist kommt dann auch der Satz: „Die Frage stellt sich nicht.“ Doch Merz stellt sie sich insgeheim offenbar schon länger. Als Maischberger ihn fragt, warum er sich die Politik noch antue, wo er doch längst alle Schäfchen im Trockenen habe, wird Merz so deutlich wie nie: „Meine Antwort ist ganz einfach, ich habe drei Kinder und vier Enkelkinder und ich stelle mir die Frage, was machen die eigentlich in 20 oder 30 Jahren, wenn sie feststellen, dass wir in dieser Zeit, in der wir heute leben, so viele Fehler gemacht haben. Und ich möchte denen in 20 oder 30 Jahren sagen können: Ich habe es wenigstens ernsthaft versucht zu korrigieren.“
In der Union heißt es: „Er läuft sich warm.“ Und zwar für die Zeit nach der Großen Koalition, für die Zeit nach Angela Merkel. Denn während ihrer Kanzlerschaft wird der Sauerländer nichts mehr werden; wolle er auch nicht, wird ebenso betont. Beide sind Intimfeinde. Merz lässt keine Gelegenheit aus, die Kanzlerin zu kritisieren. Mal wegen ihres Umgangs mit dem Klimaschutz, jetzt erneut wegen ihrer Flüchtlingspolitik. Aus Merzens Sicht wird die GroKo am Ende des Jahres Geschichte sein. Damit auch Merkel. Dann hofft er auf seine nächste Chance.
Die Sehnsucht in der Union nach dem früheren Fraktionschef und heutigen Wirtschaftsberater war freilich in den letzten Monaten kleiner geworden. Selbst seine Anhänger zeigten sich anfänglich von der neuen Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer beeindruckt, weil sie durch die Parteigliederungen tingelte und die Landesverbände mit hoher Merz-Affinität offensiv umgarnte – zum Beispiel den in Baden-Württemberg. Hinzu kam, dass „AKK“ und Merz sich plötzlich als Tandem zeigten. Beide traten zusammen im Sauerland auf. Lange Zeit hielt sich in Berlin das Gerücht eines Deals: Sie werde mit seiner Hilfe Kanzlerin, er bekomme dann ein wichtiges Ministeramt.
„AKK hat die Debatte in der Union befriedet“, so ein CDU-Vorstandsmitglied damals. Doch nun ist sie erneut da. Der angekratzte Mythos des CDU-Hoffnungsträgers ist wiederbelebt worden – und das ohne Zutun von Merz. Es sind Kramp-Karrenbauers Fehler der letzten Wochen, die die Merz-Freunde neu mobilisiert haben – und den Sauerländer mit. Nach dem starken Start von AKK folgte ihr Absturz auch in den Umfragen. Das wiederum hat der Union eine Debatte über die Eignung der Saarländerin und die künftige Kanzlerkandidatur beschert. Die Machtfrage, verlautet es aus der CDU, sei nun wieder offen. Das Duell AKK gegen Merz beginnt womöglich von Neuem.