Brüssel/Berlin – Die EU-Staaten haben sich beim Gipfel nicht auf ein neues Klimaschutz-Ziel für das Jahr 2050 geeinigt – die Bundesregierung ist trotzdem zufrieden mit den Beschlüssen. Noch im März hätte sie nicht mit einer so breiten Mehrheit der EU-Länder für eine klimaneutrale Wirtschaft bis 2050 gerechnet, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Abschluss des Gipfels in Brüssel. Deutschland habe sich dem Ziel inzwischen angeschlossen. „Insofern muss ich sagen, finde ich, dass es besser ist, als ich erwartet hatte.“ Klimaschützer äußerten sich schwer enttäuscht und fordern, schnell nachzusteuern.
Der Gipfel hatte sich trotz stundenlangen Streits nicht auf das Ziel festgelegt, bis 2050 den Treibhausgas-Ausstoß unterm Strich auf null zu bringen. Das Datum wurde aus der bereits vorbereiteten Gipfelerklärung gestrichen, weil einzelne Länder sich querstellten. Zur Festschreibung des Zieldatums wäre Einstimmigkeit nötig gewesen.
Treibhausgasneutral bedeutet, dass verbleibende Emissionen komplett ausgeglichen werden, etwa durch Aufforstung oder Speicherung. Anfang 2020 soll die Klimastrategie der EU fertig sein und den Vereinten Nationen übermittelt werden.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) forderte, dass Deutschland und die anderen Länder, die sich schon jetzt zu diesem Ziel bekennen, ihre Klimapolitik auch „genau“ nach ihm ausrichten. Im September will die Bundesregierung allerdings erst mal einen Plan vorlegen, wie sie das aktuelle Ziel für das Jahr 2030 – 55 Prozent weniger CO2 als 1990 – schaffen will.
Umwelt- und Klimaschützer werten das Gipfelergebnis als Rückschlag. „Hätte sich die Bundesregierung frühzeitig gemeinsam mit Frankreich engagiert, Polen und andere Bremserländer mit an Bord zu holen, gäbe es jetzt mit einiger Wahrscheinlichkeit ein anderes Ergebnis“, sagt Christoph Bals von Germanwatch. Oxfam spricht von einer „peinlichen Vorstellung“. Greenpeace kritisiert: „Einige wenige osteuropäische Staaten haben heute verhindert, dass der Stillstand beim europäischen Klimaschutz aufgebrochen wird.“
Aus Sicht der Klimaschützer hätte die EU nicht nur mit Blick auf 2050 ein neues Ziel setzen müssen, sondern auch die Ziele für 2030 schärfen. Das Pariser Klimaabkommen sieht vor, dass die Staaten nach und nach immer ehrgeiziger werden, um die Erderhitzung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen.
Der Industrieverband BDI begrüßte, dass das 2050-Ziel nicht festgezurrt wurde. Durch den „Verzicht“ darauf hätten die Regierungschefs „verhindert, dass die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit in Europa noch größer wird“, sagte der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch.