München – Beide Seiten beteuern, dass sie keinen Krieg wollen – trotzdem scheint er unausweichlich. Der in letzter Minute gestoppte US-Militärschlag gegen den Iran zeigt, wie angespannt die Situation ist. Im Interview erklärt der Politologe Sascha Lohmann von der Stiftung Wissenschaft und Politik, warum der Frieden ausgerechnet an Donald Trump hängt.
Ein angelaufener Militärschlag, der in letzter Minute abgeblasen wird: War das ein Einschüchterungsversuch – oder nur Chaos?
Es ist schwer zu sagen, ob man den Iran damit vor weiteren Aktionen abschrecken wollte oder ob das Ausdruck eines Lagerkampfs innerhalb der US-Regierung ist.
Welche Lager sind das?
Da sind auf der einen Seite Außenminister Mike Pompeo, der Nationale Sicherheitsberater John Bolton und die CIA-Direktorin Gina Haspel, die den Präsidenten ermutigen, militärisch auf den Drohnen-Abschuss zu reagieren. Auf der anderen Seite steht der Generalstab der US-Streitkräfte, der davor warnt, dass ein Militärschlag schnell zu einem Flächenbrand führen könnte.
Und auf wen hört Trump?
Aktuell hat er sich dem Lager der Mäßigenden angeschlossen. Deshalb hat er jetzt auch über den Oman eine Nachricht an den Iran geschickt, dass man bereit sei zum Reden. Der US-Präsident will mit Blick auf seine Wähler grundsätzlich eine Eskalation vermeiden. Die zusätzliche Truppenentsendung passt nicht zu seiner Strategie, das weltweite militärische Engagement der USA zurückzufahren. Aber er hat sich mit dem Rückzug aus dem Atomabkommen selbst in die derzeitige schwierige Rolle manövriert.
Wie groß schätzen Sie die Kriegsgefahr ein?
Das ist sehr ungewiss. Die Gefahr ist groß, dass Schritte, die gar nicht als Eskalation gemeint sind, von der anderen Seite falsch interpretiert werden – und die Kontrahenten so ungewollt in einen Krieg hineinschlittern.
Was wollen die Scharfmacher wie Bolton eigentlich erreichen?
Der Sicherheitsberater fordert seit Langem den Sturz der theokratischen Führung im Iran. Diese Seite der US-Politik gibt es seit der Besetzung der US-Botschaft in Teheran 1979. Zudem würde selbst eine neu eingesetzte iranische Regierung wohl nicht auf ihr Atomprogramm verzichten, das in der iranischen Bevölkerung sehr populär ist. Und eine dafür wohl notwendige Invasion wäre ungleich schwieriger als im Irak 2003 – mit weitaus gravierenderen Folgen.
Welche Auswege sehen Sie aus der verfahrenen Situation?
Die prinzipielle Ablehnung des US-Präsidenten gegenüber militärischen Auseinandersetzungen ist der einzige Garant gegen eine weitere Eskalation. So hat Trump ja den Drohnen-Abschuss nicht der iranischen Führung direkt zugeschrieben, sondern von einem möglichen „Fehler“ eines iranischen Generals gesprochen. Das Problem ist, dass man dem Iran bei Gesprächen nicht viel anbieten kann – die USA müssten erst einmal die Verletzungen durch den Rückzug aus dem Atomabkommen heilen, um dann verhandeln zu können.
Gibt es überhaupt noch Gesprächsfäden zum Iran?
Es gibt keine direkten Gesprächskanäle, seit die diplomatischen Beziehungen in den 1980er-Jahren abgebrochen wurden. Deshalb ist ja die Gefahr so groß, dass es schnell zu Missverständnissen kommen kann, die die Eskalation anheizen. Kommuniziert wird über die Schweiz und den Oman, also nur indirekt.
Kann die EU als Vermittler auftreten?
Die EU ist gerade dabei, die eigenen Unternehmen vor den US-Iran-Sanktionen zu schützen. Insgesamt ist der Iran aber sehr enttäuscht darüber, wie wenig die EU sich hier von US-Druck freimachen konnte – weshalb Iran sich auch als Vermittler wenig von der EU erwartet.
Interview: Klaus Rimpel