„Äthiopien ist für uns ein Schlüsselland“

von Redaktion

Münchens Ex-OB Christian Ude spricht über seine Ostafrika-Reisen – und lobt Ministerpräsident Markus Söder

München – Vor 15 Jahren reiste Christian Ude, 71, zum ersten Mal nach Äthiopien – mit dem Schauspieler Karlheinz Böhm. Heute ist er Vorsitzender des Stiftungsrats von Böhms Äthiopienhilfe „Menschen für Menschen“. Im Interview spricht Ude über den rasanten politischen Wandel im Land und erklärt, warum das gut für Europa ist.

Herr Ude, am Samstag gab es einen Putschversuch gegen eine äthiopische Regionalregierung…

Das zeigt, dass der Fortschritt hin zu Frieden und Freiheit in Äthiopien zwar eine gigantische Chance hat, aber auch extrem gefährdet ist. Der Drahtzieher war wohl ein General, also Teil der alten Garde, die gerade ihre Felle davonschwimmen sieht.

Äthiopien gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Sie bereisen es seit 15 Jahren. Was hat sich getan?

Die Lebensverhältnisse haben sich sehr gebessert, gerade auf dem Land. Das hat auch damit zu tun, dass „Menschen für Menschen“ 436 neue Schulen für je 1000 Kinder gebaut hat. Es gibt mehr Brunnen, Fortschritte bei Landwirtschaft und Tierzucht, Hilfen bei Gesundheit, Fortbildung und Existenzgründung. In der Hauptstadt Addis Abeba geht alles rasanter, das ist eine moderne Stadt mit Hochhäusern und Hotels. Nur die Straßen sind „Dritte Welt“.

Es geht bergauf, seit Ministerpräsident Abiy Ahmed an der Macht ist….

Die Geschichte gleicht einem Märchen. Ahmed war Menschenrechts-Anwalt, bevor er 2018 ins Amt kam. Der Vater ist Moslem, die Mutter Christin, beide gehören unterschiedlichen Ethnien an. Ahmed verkörpert quasi den Brückenschlag zwischen den verschiedenen Gruppen; und er handelt auch so. Er ließ alle politischen Gefangenen frei, er schloss Frieden mit Eritrea. Außerdem ist die Hälfte des Kabinetts mit Frauen besetzt, und das in einem so patriarchalischen Land.

Aber es gibt auch Sprengstoff. Äthiopien ist eines der größten Aufnahmeländer für Flüchtlinge.

Deshalb ist es ein Schlüsselland für das Verhältnis zwischen Afrika und Europa. Es hat Millionen Flüchtlinge aufgenommen, die anderenfalls weiter nach Norden gezogen wären. Zerbräche der Frieden zwischen den Ethnien, ginge Äthiopien als Aufnahmeland verloren – und würde selbst Flüchtlinge produzieren.

Heißt: Europa muss sich mehr engagieren?

Wir müssen das größte Interesse daran haben, zur Stabilität beizutragen und die Lebensverhältnisse zu verbessern. Das muss mit fairen Handelsbeziehungen beginnen und mit Hilfen für die Infrastruktur weitergehen. Wir dürfen es nicht den Chinesen überlassen, Straßen und Häfen zu bauen. Europa muss stark präsent sein, damit es in Äthiopien keinen politischen Rückfall gibt.

Zuletzt war immerhin Markus Söder präsent. Er wurde für seinen Äthiopien-Besuch belächelt…

Es war seine erste Auslandsreise im Amt, und dazu kann ich ihm nur gratulieren. Damit hat er nämlich ein wichtiges Thema gesetzt: Fluchtursachen und die Partnerschaft mit Afrika. Addis Abeba ist die Hauptstadt Afrikas, weil dort die Afrikanische Union sitzt. Jetzt gibt es dort auch ein bayerisches Büro. Die Zusammenarbeit geht also weiter. Das macht Hoffnung.

Interview: Marcus Mäckler

Äthiopien-Vortrag:

Am morgigen Donnerstag um 19 Uhr spricht Ude im Bildungszentrum der VHS München (Einsteinstraße 28) über Äthiopien. Karten gibt es vor Ort, Fragen: 089/48 00 66 239.

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