Organspende-Debatte

Zum Glück gibt’s heute Streit

von Redaktion

SEBASTIAN HORSCH

Heute wird im Bundestag gestritten. Es geht um die Frage, ob bald jeder Organspender sein soll, der nicht ausdrücklich widerspricht. Die Trennlinie zwischen zwei Gruppen von Abgeordneten verläuft dabei quer durch die Parteien, weil die Politiker heute nicht für ihre Fraktion sprechen, sondern nur für sich selbst. Diese offen zur Schau gestellte Uneinigkeit ist für unsere demokratische Kultur eine echte Wohltat – denn Deutschland ist gerade dabei, zu verlernen, wie man richtig streitet.

Angela Merkel hat in bisher 14 Jahren als Kanzlerin einen Politikstil etabliert, der lieber populäre Meinungen einsammelt, als eigene Positionen zu prägen und zur Wahl zu stellen. Ob Atomausstieg oder Homoehe – wenn der Wind sich drehte, drehte Merkel sich mit. Das ist legitim und ging lange gut. Doch gemeinsam mit einer neuen Social-Media-Kultur, in der jeder ausblendet, was nicht in sein Weltbild passt, hat auch diese Politik dazu beigetragen, dass es in unserer Gesellschaft von immer mehr Menschen als Zumutung empfunden wird, wenn jemand eine andere Meinung hat als man selbst.

Wenn Unions-Politiker dem CDU-Gesundheitsminister laut widersprechen, wenn ein FDP-Mann und eine Linke-Frau für dasselbe kämpfen, dann lebt das Parlament vor, was gerade online oft nicht mehr gilt: Dass man streiten kann, ohne zu hassen. Dass man um Argumente ringen kann, ohne sich zu bekriegen. Es bräuchte deshalb künftig noch viel mehr solcher demokratischer Aha-Momente, wie wir sie hoffentlich heute im Bundestag erleben.

Sebastian.Horsch@ovb.net

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