„Die Gefährdungslage ist hoch“

von Redaktion

Seehofer: Zahl der Rechtsextremisten auf Höchststand – Gewaltbereitschaft „besorgniserregend“

München – Innenminister Horst Seehofer (CSU) hat bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2018 vor einer „hohen Gefährdungslage“ durch Rechtsextremisten gewarnt. Der Szene gehören 24 100 Personen an, mehr als die Hälfte von ihnen gilt als gewaltbereit. Seehofer nannte die Entwicklung am Donnerstag „äußerst besorgniserregend“, zumal die Szene seit 2014 wächst: Allein im vergangenen Jahr kamen 100 Personen hinzu, damit sei ein neuer Höchststand erreicht.

Während die Zahl rechtsextremer Straftaten 2018 leicht (um 0,3 Prozent) zurückging, stieg die der Gewalttaten um 3,2 Prozent an. Dazu zählen sechs versuchte Tötungsdelikte. Besonders deutlich nahmen die antisemitisch motivierten Gewalttaten zu: 2018 waren es 71,4 Prozent mehr als im Vorjahr. „Das müssen wir sehr, sehr, sehr ernst nehmen“, sagte Seehofer. Zudem versprach er, rechtsextreme Vereine zu verbieten, „wo immer es möglich ist“. Dabei hat er auch die „Identitäre Bewegung“ im Visier, die sich modern gebe, aber zu den „geistigen Brandstiftern“ gehöre.

Insgesamt zog Seehofer eine düstere Bilanz. „Das Jahr 2018 hat erneut gezeigt, dass die Bedrohungen für unsere offene Gesellschaft vielfältiger und komplexer geworden sind“, sagte er. Nicht nur mit Blick auf Rechtsextreme.

Der Islamismus etwa bleibt ein großes Problem. Man dürfe nicht annehmen, dass der IS Geschichte sei, nur weil er militärisch geschlagen wurde, sagte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang. „Der islamistische Terrorismus ist weiterhin weltweit aktiv“, Anschläge seien auch in Deutschland jederzeit möglich. Der hiesigen islamistischen Szene werden 26 000 Personen zugerechnet.

Ein besonderes Augenmerk müsse man auf die Rückkehrer aus Syrien und dem Irak legen – das sind etwa ein Drittel der 1000 Deutschen, die in den Dschihad gezogen sind. Sie und ihre Familien könnten der Szene eine „neue Dynamik“ geben. Allerdings verwies Haldenwang auch darauf, dass die Sicherheitsbehörden zahlreiche Anschlagspläne vereiteln konnten.

Anders als im rechtsextremen Spektrum ging die Zahl der linksextremen Straftaten 2018 auf 4622 Fälle zurück, 28 Prozent wenig als im Vorjahr. Allzu überraschend ist das aber nicht, schließlich kamen 2017 die Gewaltausbrüche beim G20-Gipfel hinzu. Insgesamt gehören der Szene 32 000 Personen an (8,5 Prozent mehr als 2017), 9000 davon gelten als gewaltbereit. Links wie rechts beobachtet Haldenwang den Versuch, die politische Mitte für sich zu gewinnen. Die „Aufweichung zur Mitte hin“ nannte er besorgniserregend.

Auch die Reichsbürgerszene steht weiter im Fokus des Verfassungsschutzes. 2018 gehörten ihr 19 000 Personen an, im Vorjahr waren es noch 16 500. Den Anstieg erklärte Haldenwang damit, dass mehr Reichsbürger als solche erkannt würden. Insgesamt sei die Szene sehr „waffen-affin“, 950 Reichsbürger gelten als rechtsextrem.

Jenseits der politischen Extremismen bereitet auch die Spionage dem Verfassungsschutz viel Arbeit. Neben klassischer Spionage stehe vor allem die Gefahr durch Cyber-Attacken im Raum, sagte Seehofer. Hauptakteure seien Russland, China, der Iran und die Türkei. Außerdem verwies er darauf, dass es in anderen europäischen Ländern schon zu Tötungsdelikten gekommen ist, bei denen es Hinweise auf ausländische Nachrichtendienste als Drahtzieher gab.

Um den Gefahren angemessen begegnen zu können, forderte Seehofer, den Verfassungsschutz zu stärken und ihm mehr Kompetenzen zu übertragen. Nur so könne er seinen Aufgaben gerecht werden. MARCUS MÄCKLER

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