Weitere Festnahmen im Fall Lübcke

von Redaktion

Der Mord an CDU-Politiker Walter Lübcke wirft weiter Fragen auf, doch langsam erhellt sich das Umfeld des Tatverdächtigen Stephan E. Zwei Männer wurden festgenommen. Einen weiteren Fund machten die Fahnder an E.s Arbeitsplatz.

VON MARTINA HERZOG UND GÖRAN GEHLEN

Kassel/Berlin – „Rechtsextremistische Anti-Asyl-Agitation“ könne die Menschen mobilisieren, schreibt der Verfassungsschutz in seinem aktuellen Jahresbericht. Es geht um das Jahr 2018, es geht um allgemeine Aussagen, es geht eigentlich nicht um den Mord an CDU-Politiker Walter Lübcke. Aber die Aufnahme vieler Flüchtlinge könnte wohl auch den Verdächtigen Stephan E. zur Tat getrieben haben. Zum Leben des Rechtsextremisten kommen immer mehr Details ans Licht.

„Der Fall Walter Lübcke zeigt auf äußerst brutale Weise, wie aus Einschüchterungsversuchen und Drohungen im Internet ganz reale Gewalt wurde“, sagt der Chef des Inlandsgeheimdienstes, Thomas Haldenwang. „Ein Mensch verteidigt den Bau von Flüchtlingsunterkünften, wird danach in sozialen Medien massiv angefeindet und mit Hasspostings überzogen und schließlich in seinem Garten mit Kopfschuss geradezu hingerichtet.“

Eine Bürgerversammlung im Oktober 2015 habe für die Tat eine große Rolle gespielt, soll Stephan E. laut einem Bericht der „SZ“ ausgesagt haben. Damals war Lübcke als Regierungspräsident im Bürgerhaus der Gemeinde Lohfelden bei Kassel gewesen, es ging um die Unterbringung mehrerer Hundert Flüchtlinge. Rund 15 Personen im Publikum hätten die Stimmung angeheizt, sagte Michael Conrad, Sprecher des Regierungspräsidiums. „Es wurde gebrüllt: ‚Scheiß Staat, scheiß Regierung, scheiß Polizei‘.“ Lübcke wehrte sich und sagte, wer gewisse Werte des Zusammenlebens nicht teile, könne das Land verlassen.

Ob Stephan E. Unterstützer innerhalb oder außerhalb der rechten Szene hatte, ist noch immer unklar. Immerhin hat die Bundesanwaltschaft mittlerweile zwei mögliche Unterstützer festnehmen lassen. Die beiden Deutschen Elmar J. (64) und Markus H. (43) werden der Beihilfe zum Mord verdächtigt. Der aus dem Kreis Höxter stammende J. soll E. die Tatwaffe mit dem Kaliber 38 verkauft, der aus Kassel stammende H. den Kontakt vermittelt haben.

„Wir gehen davon aus, dass die beiden Beschuldigten von der rechtsextremistischen Gesinnung des Stephan E. wussten“, sagt ein Sprecher der Bundesanwaltschaft. Sie hätten es auch für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass E. die Waffe für ein politisch motiviertes Verbrechen einsetzen werde. Bislang gebe es aber keine Anhaltspunkte dafür, dass sie von seinen konkreten Anschlagsplänen wussten. Von der Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung geht die Behörde nicht aus.

Vertreter von FDP und Grünen mahnten zur Vorsicht. „Die heutigen Festnahmen zeigen, dass der mutmaßliche Mörder länderübergreifend in Neonazi-Szenen vernetzt war“, erklärt der FDP-Abgeordnete Benjamin Strasser. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Irene Mihalic, äußert die „Hoffnung, dass nicht erneut der Fehler gemacht wird, eine terroristische Vereinigung hinter dem Mord an Walter Lübcke zu schnell auszuschließen.“ Der Blick in den Waffenschrank des mutmaßlichen Täters zeige, „dass er Zugänge hat, die man sich völlig alleine nur schwer erschließen kann“.

Auf dem Gelände von E.s Arbeitgeber in Kassel haben die Ermittler auf seinen Hinweis hin Waffen gefunden, die ihm gehören sollen. E. hat offenbar gestanden, selbst Waffen verkauft zu haben. Nach dpa-Informationen lagen die Waffen in einem Erdloch an einer schwer einsehbaren Stelle zwischen Büschen am Werkszaun. Das Unternehmen wollte sich zu Details wegen der laufenden Ermittlungen nicht äußern. Ein Sprecher bestätigte aber, dass es „Untersuchungen bei uns auf dem Gelände gab“.

Dass die Waffen auf dem Firmengelände lagen, ist traurige Ironie: Der international tätige Technikhersteller mit 3500 Mitarbeitern hat sich in den vergangenen Monaten massiv gegen Fremdenfeindlichkeit und für Respekt und Toleranz engagiert.

Artikel 9 von 11