Wiederwahl nach einem wundenreichen Jahr

von Redaktion

Ilse Aigner tritt erneut als Oberbayerns CSU-Chefin an: „Heilungsprozess läuft“ – Dobrindt verzichtet auf Vize-Amt

München – Bei ihrer letzten Wahl vor zwei Jahren trug Ilse Aigner einen spektakulären Schutz-Schuh: hochhackig, hinten zwei spitze Geweihe montiert. Ein Spaß war das, mit einem kleinen Subtext: Wagt es lieber nicht, mir in die Fersen zu treten. Auf dem CSU-Bezirksparteitag damals funktionierte das kurzfristig prächtig, es gab Heiterkeit, nur Lob und ein Aigner-Wahlergebnis von 96,7 Prozent.

Kaum waren die Schuhe wieder im Schrank, begannen allerdings Tritte. Aus Aigners Bezirksverband Oberbayern meldeten sich konzertiert mehrere Kreisvorsitzende mit dem Ruf nach einem neuen Ministerpräsidenten – nicht mehr Horst Seehofer, auch nicht Aigner, sondern Markus Söder. 2018 wurde zum extrem unruhigen Jahr für das Kernland der CSU: Seehofers Abgang, ein mieses Ergebnis bei der Landtagswahl im Oktober (in Oberbayern nur noch 33,7 Prozent), Verlust von Einfluss, im Dezember Verwerfungen zwischen Aigner und der Fraktion.

Muss sie die Schuhe wieder rausholen? Am Samstag stellt sich die 54-Jährige zur Wahl als Bezirksvorsitzende. Ihr Sieg ist nicht gefährdet, ein gutes Ergebnis schon. Erst allmählich beruhigt sich die Lage im Verband. Die Pro-Söder-Truppe hat sich klar durchgesetzt, auch auf Posten im Kabinett: Neu-Minister wie Florian Herrmann, Michaela Kaniber – auf Kosten der Aigner-Vertrauten Marcel Huber und Ulrike Scharf. Der Machtkampf ist entschieden, das Verhältnis Aigner/Söder entspannt sich. „Es war für den Verband nicht gut, gespalten zu sein“, sagt die Landtagspräsidentin heute. Aber der „Heilungsprozess“ laufe. Söder wird vor den 400 Delegierten am Samstagnachmittag in Ingolstadt auftreten.

Hakeleien gab es im Vorfeld um die vier Vize-Posten. Fünf Bewerber zeigten Interesse: Alexander Dobrindt (Bund), Martin Bayerstorfer (Erdings Landrat), Kaniber, Kerstin Schreyer und Tanja Schorer-Dremel (Landtag). Über Wochen drohte eine Kampfabstimmung, „eine blöde Situation“, hieß es aus der Runde. Nach einer einstündigen Telefonkonferenz diese Woche verzichtete ausgerechnet der Hochrangigste: Dobrindt. „Gräben zuschütten statt neue aufreißen“ müsse man, sagt er.

Eine Vorfestlegung künftiger Macht im Verband ist das nicht. Allerdings gibt es intern Murren über das lange Hin und Her für nun wirklich nicht weltbewegende Posten. Aigner habe das „verbockt“.

Inhaltlicher Mittelpunkt soll eine „Nachhaltigkeitsagenda 2030“ für Oberbayern werden. Marcel Huber legt einen Entwurf vor, wie sich die CSU „umweltbewusst und nachhaltig, nicht links“ positionieren kann. „Wir haben sehr viele ökologisch denkende, konservative Wähler nicht erreicht“, sagt der 61-Jährige. Die CSU müsse klarer machen, wie eng nachhaltiges mit christlichem und sozialem Denken verknüpft sei.

Hubers Leitantrag dekliniert das in einigen Details durch. Flächenverbrauch: ein Sollwert von fünf Hektar pro Tag; ein Aufstocken von Austragshäusern, mehr Mischnutzung (Wohnen, Gewerbe, Handel) in Ortskernen, Entsiegelungsprämien. Bei der Biodiversität sieht Huber die Verbraucher stärker in der Pflicht und warnt davor, „die Landwirtschaft als Sündenbock für die Minderung der biologischen Vielfalt“ zu nehmen. Huber benennt etliche Interessenkonflikte klarer, als es die Gesamt-CSU sonst in ihrem neuen Öko-Kurs tut: „Das muss die Partei aushalten.“ CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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