München – „Wir haben den Atommüll fünf Jahrzehnte lang produziert, dann wäre es verantwortungslos, wenn wir das hochradioaktive Zeug nun in anderen Ländern endlagern würden“, sagt Martin Behringer, Bürgermeister von Thurmansbang in Niederbayern. Dabei weiß der Lokalpolitiker von den Freien Wählern, dass seine Region mit dem riesigen Saldenburger Granitfeld gewissermaßen Begehrlichkeiten weckt. Granit gilt neben Ton- und Salzformationen als mögliches Gestein für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle in Deutschland. Doch Behringer – und ein großer Teil der Bevölkerung in den betroffenen Landkreisen Deggendorf, Passau sowie Freyung-Grafenau – ist strikt gegen ein „Atomklo“ in Niederbayern. Der Widerstand gegen ein mögliches Endlager im Saldenburger Granit geht bereits ins 25. Jahr.
Hinter dem Konflikt steckt eine riesige, viele Generationen übergreifende Herausforderung. Der immer noch hochradioaktive Abfall aus fünf Jahrzehnten Atomenergienutzung muss sicher verwahrt werden. Und das für einen Zeitraum von einer Million Jahre. Konkret geht es um den Inhalt von 1900 Castoren, die je rund 120 Tonnen Atommüll enthalten.
Ein Endlager wäre „der Totschlag“ für seine Region, sagt Bürgermeister Behringer. „Wer will denn hier noch Urlaub machen oder investieren, wenn unter der Erde radioaktiver Müll liegt?“ Er verweist zugleich auf fachliche Gründe, nach denen ein Endlager im kristallinen Gestein ausgeschlossen werden müsse. Der harte Granit neige infolge der Erdbewegungen zu Rissbildungen, in die Wasser eindringen könne. Bereits bei Erkundungsbohrungen könnte Wasser tief eindringen. Proteste gibt es derweil auch in anderen bayerischen Regionen mit Granitgestein, etwa in Oberfranken oder der Oberpfalz.
Der Chef des Bundesamts für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE), Wolfram König, übt mit Blick auf den bayerischen Koalitionsvertrag, wonach der Freistaat „kein geeigneter Standort für ein Atomendlager“ sei, dezente Kritik an CSU und Freien Wählern. Der Erfolg des Suchverfahrens werde maßgeblich von seiner Glaubwürdigkeit bestimmt. „Das gemeinsam mit den Ländern beschlossene Standortauswahlgesetz baut darauf, dass keine Region und kein Bundesland – aus welchen Interessen auch immer – aus der ergebnisoffenen Suche ausgeschlossen wird“, sagt König. Und zu den Protesten in Niederbayern sagt er erstens: „Wir sind Jahre von einer tiefergehenden Untersuchung der Orte entfernt, die dann noch im Verfahren verbleiben.“ Zweitens: „Ich habe bei den bisherigen Informationsveranstaltungen die Erfahrung gemacht, dass das Gespräch über die tatsächliche Vorgehensweise die notwendigen Diskussionen versachlichen kann.“ Und drittens: „Es bleibt Fakt, dass wir uns in Deutschland selbst um die sichere Entsorgung der hochgefährlichen Abfälle kümmern müssen.“ Weggucken und wegducken lösten das Problem jedenfalls nicht.
Der Chef der Endlagergesellschaft, Stefan Studt, verweist zudem auf den „Zwischenbericht“, der im dritten Quartal 2020 vorgelegt und mehrere infrage kommende Standorte ausweisen werde, die dann in den Folgejahren näher untersucht würden. Eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit in den Regionen sei gesetzlich vorgeschrieben. Es solle nicht wieder jahrzehntelange Proteste geben wie einst im niedersächsischen Gorleben.
Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) verteidigt derweil die „klare politische Aussage“ gegen ein Endlager im Freistaat: „In meinen Augen wäre es sinnvoller gewesen, den Standort Gorleben weiter zu untersuchen“, sagt er. Hier seien schließlich bereits 1,6 Milliarden Euro investiert worden. „Aber der Kompromiss mit der Zustimmung zum Standortauswahlgesetz stellt uns eine Aufgabe, an der wir jetzt arbeiten müssen.“ Gleichzeitig sagt Glauber: „Wir sind jedoch überzeugt, dass die Suche in Bayern keinen Standort mit bestmöglicher Sicherheit ergeben wird.“
Bürgermeister Behringer aus Thurmansbang hat indes wenig Vertrauen in den Passus aus dem Koalitionsvertrag von CSU und FW. „Papier ist geduldig. Wenn‘s darauf ankommt, fallen sie um.“