München – Er hält fast durch, aber zum Schluss rutscht ihm doch noch eine Provokation heraus. Es geht um die AfD und die Frage, warum sie gerade für Männer attraktiv ist. Christoph Maier, der für die Partei im Landtag sitzt, schnappt sich also das Mikro und sagt: „Mag sein, dass das so ist. Weil die Frauen noch nicht so richtig verstanden haben, worum es geht.“
In den schmucken Hallen des Maximilianeums sind schon schlauere Sätze gesagt worden; das fällt selbst Maier auf, dessen Stimme in einem lauten weiblichen Prusten untergeht. Andererseits passt der Satz recht gut ins Konzept des Abends. Denn es geht um den Stellenwert der Provokation und den Respekt vor anderen Meinungen. Es ist eine Debatte über die rauer werdende Debattenkultur – und den Anteil der AfD daran.
Eingeladen hat Ilse Aigner, die als Landtagspräsidentin ja qua Amt das Niveau im Parlament hochhalten muss. Sie gesteht: Intern hat schon die Zusammensetzung der Runde polarisiert. Neben Maier sitzt nämlich auch Markus Plenk auf dem Podium, der – jetzt fraktionslos – zum Zeitpunkt der Einladung noch AfD-Fraktionschef war. Plenk und Maier sprechen nicht mehr miteinander, aber viel wichtiger ist: Wer spricht mit ihnen? Lässt sich mit den Provokateuren über Debattenkultur reden?
Vielleicht liegt in der Frage schon ein Teil des Problems. Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) stellt jedenfalls fest, dass es so etwas wie eine sachliche Auseinandersetzung zwischen den Lagern kaum mehr gibt. „Im Bundestag herrscht ein Stellungskrieg zwischen der AfD und den anderen“, sagt er. Das setze sich in den sozialen Netzwerken fort. Hier könne jeder alles schreiben – ohne Folgen. Der ehemalige „Spiegel“-Kolumnist Jan Fleischhauer kritisiert ebenfalls die „Konsequenzlosigkeit, die auf Facebook selbst nach schlimmen Äußerungen herrscht“. Solche Netzwerke, meint er, bräuchten eine „rechtsfähige Person“ in Deutschland, die man verklagen könnte.
Es geht dann auch um die langen GroKo-Jahre, in denen man das Debattieren verlernt habe. Um die Unlust am Kompromiss. Um die Versuche auf allen Seiten, den politischen Gegner zu delegitimieren. Und darum, dass die Politik bestimmte Themen zu wenig aufnimmt. Wenn 30 Prozent der Bevölkerung ein Problem mit der Flüchtlingspolitik haben, „ist das Thema eben nicht erledigt“, sagt Fleischhauer. AfD-Mann Maier schimpft, die ignorante politische Klasse habe „Teile des Volks“ komplett ignoriert.
So differenziert die Diskussion bisweilen ist, so sehr verliert sie manchmal auch den Fokus. Es ist ausgerechnet eine Politikwissenschaftlerin, die an die Rolle der AfD auf dem Weg der Verrohung erinnert. „Man kann ständig politisch unterlegen sein und trotzdem bleibt die liberale Demokratie bestehen“, sagt Astrid Séville von der LMU. Wer das, wie die AfD, ständig infrage stelle, der sei undemokratisch. Es brauche „Respekt für die Position des anderen.“
Auch Thomas Oppermannwird noch mal deutlich: „Parteien, Medien, Wissenschaft: Die AfD greift alles an, was die Demokratie zusammenhält.“ Es brauche wieder einen „Grundkonsens über die Werte und Regeln der Demokratie“. In diesem Rahmen dürfe es dann ruhig krachen. Oppermann ist es auch, der am Ende versucht, Optimismus zu versprühen. „Diese Demokratie wird nicht sterben“, sagt er. Da widerspricht nicht mal Maier. M. MÄCKLER