„Dieser Wählerbetrug darf sich nicht wiederholen“

von Redaktion

München – Es ist tragisch. 2014 verpasste Bernd Posselt (CSU) den Einzug ins EU-Parlament knapp – und machte weiter, als wäre nichts gewesen. 2019 landete er wieder auf dem Nachrückerplatz und hoffte, das Mandat von Manfred Weber übernehmen zu können. Doch nun wird Weber nicht Kommissionschef und Posselt steht mit leeren Händen da.

Herr Posselt, sind Sie persönlich sehr enttäuscht?

Ehrlich gesagt überwiegt die Enttäuschung über den Wählerbetrug, der stattgefunden hat. Ich stehe hinter Manfred Weber, er ist ein Hoffnungsträger für die Demokratisierung Europas. Dafür kämpfe ich weiter. Ob ich nun gerade ein Mandat habe oder nicht, ist zweitrangig.

Machen Sie also weiter wie bisher, als quasi ehrenamtlicher Abgeordneter?

Für Europa werde ich bis an mein Lebensende arbeiten, ob publizistisch, durch Reden oder als Ex-Abgeordneter. Und ich bin natürlich weiterhin in Straßburg aktiv, warum auch nicht? Ich werde aber auch viel an der Basis unterwegs sein, um die Kräfte für die Demokratisierung Europas zu sammeln. Da haben wir jetzt einen Rückschlag erlitten, leider. Aber Rückschläge sind dazu da, um überwunden zu werden.

Frau von der Leyen soll Kommissionschefin werden, obwohl sie niemand gewählt hat…

Das Europäische Parlament wählt den Kommissionspräsidenten und wenn es Frau von der Leyen wählt, ist sie auch demokratisch legitimiert.

Wie stehen ihre Chancen?

50:50 würde ich sagen, sie muss sich noch sehr anstrengen. Entscheidend ist, wie sie sich nun verhält und welche konkreten Zusagen sie macht. Ein Vorgang wie diesmal darf sich bei der nächsten Wahl nicht wiederholen, das muss vertraglich festgelegt werden. Das Parlament muss den Kandidaten ohne Festlegung des Rates wählen dürfen. Sonst brauchen wir gar nicht mehr anzutreten.

Hat die Glaubwürdigkeit der EU sehr gelitten?

Nicht die Glaubwürdigkeit der EU hat gelitten, sondern die der Nationalstaaten. Der Betrug ging von ihnen aus.

Die Abgeordneten hätten sich doch auf einen Kandidaten einigen können…

Da liegt die Verantwortung bei Sozialdemokraten und Liberalen, die es nicht geschafft haben, den Wahlgewinner zu unterstützen – und zwar aus kurzsichtigen parteipolitischen Erwägungen. Das gibt es im Bundestag doch auch nicht, dass die Union stärkste Fraktion ist, aber dann den SPD-Kandidaten zum Kanzler wählen muss, weil er auch Spitzenkandidat war.

Das Parlament hat betont, dass es nur einen Spitzenkandidaten wählt. Gemessen daran müsste es Frau von der Leyen verhindern.

Dieses Wort, es dürfe nur ein Spitzenkandidat werden, halte ich für unglücklich. Denn Spitzenkandidat ist man nur bis zur Wahl, danach gibt es einen Wahlsieger.

Wann geht es für Sie in Straßburg weiter?

In zwei Wochen. Ich möchte aus nächster Nähe erleben, ob die Wahl zur Kommissionspräsidentin glückt. Außerdem lerne ich gerade die neuen Kollegen kennen. Übrigens hatten mich die Kollegen schon auf die Listen zweier Ausschüsse gesetzt. Um diese Fachgebiete – Außenpolitik und Verfassung – werde ich mich auch so kümmern. Aber es ist schön zu wissen, welche Wertschätzung man genießt.

Interview: Marcus Mäckler

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