Berlin – Erst eine Woche ist es her, da hatte SPD-Umweltministerin Svenja Schulze ein Modell für eine CO2-Steuer vorgestellt. Drei Forschungsinstitute haben für sie durchgerechnet, wer wie belastet werden würde, wenn es im Jahr 2020 losgehen sollte mit einem Betrag von 35 Euro pro Tonne CO2. Dieser würde dann jedes Jahr um 14,50 Euro steigen und 2030 dann bei 180 Euro liegen. Anfangs würde der Liter Benzin so zum Beispiel um 10 Cent teurer, 2030 dann um 51 Cent. Die Einnahmen sollen besonders an die zurückfließen, die klimafreundlich leben. Das sei planbar, sozial gerecht und wirke.
Die fünf Wirtschaftsweisen, die von CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel beauftragt wurden, sich über die Bepreisung von CO2 Gedanken zu machen, sehen das anders. Mit einer Steuer könne die Regierung zwar „sofort starten“, es gebe aber „wenige Belege“, dass sie wirklich wirke, sagte der Vorsitzende Christoph Schmidt. Die bessere Alternative sei der europaweite Emissionshandel, spätestens ab 2030.
Den gibt es schon, nur ist er bislang beschränkt auf die Energiewirtschaft und Teile der Industrie. Sie müssen für ihren CO2-Ausstoß Zertifikate nachweisen – und zukaufen. Die Zahl der Zertifikate und damit das CO2-Volumen ist EU-weit begrenzt und wird nach und nach verringert. Die Idee: Je knapper die Zertifikate, desto höher der Preis, desto eher lohnt es sich, in saubere Technik zu investieren.
Die Wirtschaftsweisen wollen dieses System auf den Verkehr und den Gebäudebereich ausweiten. Raffinerien und Tankstellen müssten dann zum Beispiel Verschmutzungsrechte kaufen. Die Kosten schlügen diese damit auf die Preise für Verbraucher auf.
Das sei am effektivsten, da eine fixe Grenze für den CO2-Ausstoß vorgegeben werde, könnten Klimaziele genau erreicht werden, erklärte Schmidt. Es sei auch volkswirtschaftlich am klügsten, denn gespart werde dort, wo es am günstigsten sei. So könne der Ausstieg aus der besonders klimaschädlichen Kohle „früher kommen als verabredet, ohne Entschädigungsforderungen der Energiewirtschaft“. Heißt vor 2038. Denn die klimaschädlichen Kohlekraftwerke rechneten sich schnell nicht mehr. Und: Ein sozialer Ausgleich sei wie bei der CO2-Steuer machbar.
Das klingt zunächst plausibel, maßgebliche Teile der CDU sind für den Emissionshandel, die FDP hat sich auch schon dafür ausgesprochen. Er hat aber viele Gegner, vor allem unter Umweltschützern. Der Vizevorsitzende des Ökoverbandes BUND, Ernst-Christoph Stolper, spricht von einer „Scheinlösung“ und einer „altbekannten ideologischen Haltung zur Selbstregulierung des Marktes“.
Es lohnt, sich mit den genaueren Argumenten der Kritiker zu befassen. Eines lautet: Kommt der Emissionshandel, werden zwar die Kohlekraftwerke abgestellt, aber im Verkehr tut sich zu lange nichts. Später drohen dann erst recht große Umbrüche und Jobverluste in der Branche. Schmidt meint, man müsse von diesem „Denken in Sektoren wegkommen“. Außerdem gebe der Emissionshandel auch ein „klares Signal“ für klimafreundliche Autos. Ein anderes Gegenargument: Der bestehende EU-Emissionshandel hat in der Vergangenheit nicht sonderlich gut funktioniert, es gab zu viele Zertifikate, der Preis war niedrig. Vor allem aber müsste die Ausweitung erst einmal in der EU verhandelt werden, er wäre erst in Jahren durchsetzbar.
Das Problem sehen auch die Wirtschaftsweisen. Reißt Deutschland seine Klimaziele, muss es nach den EU-Regeln Verschmutzungszertifikate in anderen EU-Ländern kaufen. SPD-Bundesfinanzminister Olaf Scholz plant für die nächsten drei Jahre bereits 300 Millionen Euro ein, danach geht es um Milliarden. Schmidt und seine Kollegen schlagen darum eine Übergangslösung vor, das könne ein nationaler Emissionshandel sein oder auch die CO2-Steuer.
Am kommenden Donnerstag wird die Regierung beraten.