Berlin – Globuli auf Kosten der Beitragszahler? In der Großen Koalition gibt es Streit darüber, ob die gesetzlichen Krankenkassen auch weiterhin für homöopathische Mittel aufkommen dürfen. Das Bundesgesundheitsministerium sieht keinen Korrekturbedarf, wie eine Sprecherin am Freitag deutlich machte.
Beliebt sind sie allemal: Schätzungen zufolge greifen etwa 60 Prozent der Bundesbürger auf homoöpathische Mittel in Form von Kügelchen (Globuli), Kapseln oder Tropfen zurück. Während Nutzer auf die auch als „sanfte Medizin“ bekannten Therapien schwören, halten Kritiker sie für Scheinmedikamente mit zweifelhaftem Nutzen. In Frankreich hat die Regierung deshalb jetzt angekündigt, die entsprechenden Zuzahlungen der Krankenkassen schrittweise bis 2021 abzuschaffen.
Vor diesem Hintergrund ist die Debatte auch in Deutschland neu entbrannt. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung forderte, dem französischen Beispiel zu folgen. Und in der Großen Koalition scheinen sich die Stimmen dafür ebenfalls zu mehren. Die Wirksamkeit sei nicht nachgewiesen. Daher sehe sie es „kritisch“, dass Kassen und damit die Beitragszahler solche Mittel finanzierten, meinte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar. Ähnlich hatte sich bereits Fraktionsvize Karl Lauterbach geäußert. Unterstützung kam gestern auch vom Chef des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Erwin Rüddel (CDU): Es sei „schwer vermittelbar, dass Kosten für Homöopathie teilweise übernommen werden, während an anderer Stelle gespart werden muss“.
Dagegen verteidigte die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU), die geltende Praxis mit dem Hinweis, dass sich Kassenpatienten, die Homöopathie ablehnten, für eine Kasse entscheiden sollten, die keine Kosten dafür erstatte. Nach Angaben des „Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte“ kommt mehr als die Hälfte der 100 gesetzlichen Kassen freiwillig für entsprechende Behandlungskosten auf. Diese Maßnahme soll vor allem der Mitgliederwerbung und der Kundenbindung dienen.
Im Interesse des Kassenwettbewerbs waren die gesetzlichen Möglichkeiten für solche zusätzlichen Angebote im Jahr 2012 massiv ausgeweitet worden. Darunter fallen zum Beispiel auch Zahnprophylaxe, eine erweiterte Nutzung von Haushaltshilfen bei Krankheit sowie die Versorgung mit rezeptfreien Arzneimitteln. „Wenn die Krankenkassen diesen Bereich nutzen, darf man sie dafür nicht pauschal kritisieren“, hieß es beim Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Das Bundesgesundheitsministerium sieht jedenfalls keinen Korrekturbedarf. Auf Nachfrage unserer Redaktion verwies man dort auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach homöopathische Behandlungen als zusätzliche Satzungsleistungen der Kassen möglich seien. Die Kassen gaben zuletzt 500 Millionen Euro für freiwillige Leistungen aus.
Homöopathische Mittel schlugen laut einem Bericht der Pharmaindustrie im Jahr 2017 mit 10,7 Millionen Euro für die Kassen zu Buche. Die gesamten Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Kassen summierten sich auf 39,6 Milliarden Euro. Auch wegen der sehr überschaubaren Kosten halte sie die geltende Praxis für „verträglich“, meinte die CDU-Gesundheitspolitikerin Maag. STEFAN VETTER