Von der Leyens Pläne

Die französische Kandidatin?

von Redaktion

GEORG ANASTASIADIS

Mit der Wahl Ursula von der Leyens zur Kommissionspräsidentin haben die Institutionen Europas Handlungsfähigkeit bewiesen. Das ist von großer Bedeutung in einer Zeit, da autoritär agierende Weltmächte den Druck auf das europäische Staatenbündnis erhöhen. Doch war die Kür der Deutschen ein Kraftakt. Zu glauben, Europa werde fortan „deutsch“ regiert, wäre ziemlich naiv. Im Gegenteil: Ursula von der Leyen hat sich die Zustimmung vieler Länder und Abgeordneter mit Schecks erkauft, deren Einlösung gerade Deutschland noch teuer zu stehen kommen wird. Vor allem Linken und Grünen muss sie für deren parlamentarische Unterstützung weit entgegenkommen.

Erste Signale sind beunruhigend: Ursula von der Leyen, die ihre politische Heimat im CDU-Sozialflügel hat, befürwortet die weitgehende Kollektivierung der Bankrisiken in einer (von Berlin in dieser Form bisher abgelehnten) Bankenunion, sie plädiert für einen europäischen Mindestlohn und sie will die dadurch ausgelösten Jobverluste konsequenterweise in einer europäischen Arbeitslosenversicherung auffangen. Und sie sieht „viel Spielraum“ im europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt. Das wird man in Rom und Paris als das begreifen, was es vermutlich auch ist: ein Freifahrtschein für noch mehr Staatsschulden. Was dagegen in auffälliger Weise fehlt, ist ein klares Bekenntnis der neuen EU-Chefin zur wirtschaftlichen Freiheit, ohne die die vollmundigen Brüsseler Wohlfahrtsversprechen auf Dauer nicht zu bezahlen sind.

Von der Leyens wirtschaftspolitische Fingerzeige zielen auf den Ausbau der Transferunion. Und sie erklären die Begeisterung von Frankreichs Präsident Macron für die Deutsche – und auch seine Ablehnung des Kandidaten Weber, dem ein anderes Europa vorschwebte. Eines, das auch auf Anstrengung statt nur auf Umverteilung setzt. Vielleicht ist von der Leyen tatsächlich die passendere Chefin für eine EU ohne die marktwirtschaftlich eingestellten Briten. Trotzdem müssen Berlin und Webers EVP-Fraktion sehr aufpassen, dass in Brüssel (und bei der EZB in Frankfurt) nicht ab sofort alles nach der französischen Pfeife tanzt.

Georg.Anastasiadis@ovb.net

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