Die Kanzlerin, die in sich ruht

von Redaktion

Sommerpressekonferenzen mit Angela Merkel sind beliebte Termine. Vom Klima über die GroKo bis zu ihrer Gesundheit gibt sie Auskunft, auch mit trockenem Humor. Einen scharfen Ton schlägt sie nur einmal an.

VON MARC BEYER

München/Berlin – Der erste Lacher geht auf das Konto von Jens Spahn. Eine Viertelstunde ist die Pressekonferenz schon alt, und Angela Merkel hat sich dem Klimaschutz ebenso gewidmet wie der Seenotrettung. Aber nun geht es um die Personalien der letzten Tage und damit irgendwie auch um Spahn, der am Dienstagabend für ein paar Minuten Verteidigungsminister zu werden schien. Stattdessen verantwortet er weiter das Gesundheitsressort und das durchaus mit Elan. „Er schafft ’ne Menge weg“, lobt Merkel. Das Lachen im Saal kommentiert sie lakonisch: „Da erschließt sich mir die Komik nicht.“

Sommerpressekonferenzen mit der Kanzlerin sind beliebte Veranstaltungen. Sie haben den Ruf, ergiebig und dabei entspannt zu sein, vielleicht der beste Pressetermin mit ihr im ganzen Jahr. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt diesmal aber natürlich auch der fragile Zustand der Koalition. Wer weiß, wie lange sie noch hält?

Prognosen sind schwierig, schließlich hätte vor einer Woche auch niemand damit gerechnet, Annegret Kramp-Karrenbauer im Kabinett zu finden. Nun ist sie Verteidigungsministerin und muss sich des Vorwurfs erwehren, einen Wortbruch begangen zu haben. Da ist es hilfreich, jemanden wie Merkel auf seiner Seite zu haben. Sie hat unendlich viel erlebt, kann alles einordnen und manches mit einer lapidaren Bemerkung entschärfen. Wortbruch? Ach, sagt Merkel, „bei uns wird so viel gesprochen“.

Sie wirkt gelöst, phasenweise scheint ihr der Termin beinahe Spaß zu machen. Ein willkommener Kontrast zu den vergangenen Wochen, die selbst für eine krisengestählte Kanzlerin aufreibend waren. Ihre wiederholten Zitteranfälle haben das Land beschäftigt und tun es immer noch, während die öffentliche Patientin gerne zur Normalität zurückkehren würde. „Ich verstehe die Fragen“, sagt Merkel. Der Job mag hart sein, der Kalender stets voll, aber „ich kann diese Funktion ausüben“. Gleichwohl macht sie den Eindruck, als freue sie sich schon auf die Zeit nach Ende der Legislaturperiode. „Als Mensch habe ich auch persönlich ein hohes Interesse an meiner Gesundheit.“ Schließlich gelte für sie ab 2021, „dass es noch ein weiteres Leben gibt“.

Nicht nur an dieser Stelle geht Merkel davon aus, dass die Koalition so lange hält. Als eine ihrer hervorstechendsten Eigenschaften nennt sie aus gutem Grund „realistischen Optimismus“. Und als es um die Selbstfindung der SPD geht, spricht sie sogar von „Hochachtung“.

Nicht weit entfernt demonstrieren junge Menschen für einen besseren Klimaschutz. Die Ungeduld wächst, und der Hinweis, am 20. September werde das Klimakabinett ein Maßnahmenpaket verabschieden, wird sie nicht mindern. Merkel bittet um Verständnis, dass alle Ideen „abgeklopft werden müssen“ und deshalb Zeit bräuchten. Sie lobt Greta Thunberg. Mit ihrer „Ernsthaftigkeit“ habe die Aktivistin „uns sicher dazu gebracht, noch mal etwas entschlossener an die Sache heranzugehen“. Warum eine 16-Jährige nötig ist, um der Bundesregierung Impulse zu verleihen, darauf geht sie im Detail aber nicht ein.

Wirklich scharf wird der Ton nur einmal. Ganz am Schluss. Da geht es mal wieder um Donald Trump, um seine rassistischen Attacken auf vier Abgeordnete der Demokraten. Die allerletzte Frage – ob sie solidarisch mit den Frauen sei – beantwortet Merkel mit einem knappen „Ja“. Dann fügt sie hinzu: „Ich distanziere mich entschieden und solidarisiere mich mit den attackierten Frauen.“ Das ist ihr Schlusswort.

Auf die Klassikerfrage nach dem Urlaubsziel geht sie auch diesmal nicht ein. Ferien sind Privatsache, und nächste Woche zu Kramp-Karrenbauers Vereidigung ist sie eh schon wieder in der Stadt. „Wenn was ist, bin ich erreichbar“, erinnert sie. In diesem Sinne: schöne Ferien.

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