JOHANNES LÖHR
Seit einem Bürgerentscheid von 2004 hat in München die Kirche bestimmt, wo’s langgeht – besser: Wie hoch es nach oben geht. Nach 100 Metern, der Höhe des Liebfrauendoms, war für Häuser Schluss. Bis jetzt. Die Schweizer Architekten Herzog & de Meuron planen an der Friedenheimer Brücke zwei gut 155 Meter messende Hochhäuser. Und die Welt geht sicher nicht unter, wenn man es ihnen erlaubt.
Bindend war der Entscheid ohnehin nur bis Ende 2005. Aber man hielt sich dran. Zu groß war die Angst vor dem Zorn der Münchner, der Christian Ude eine der wenigen Klatschen in seiner Karriere als Oberbürgermeister beschert hatte. Eine Debatte wird es auch diesmal geben. Kritiker wenden ein: Die Türme sind Energiefresser, wirtschaftlich nicht notwendig, letztlich nur Eitelkeit der Architekten. Investoren üben in München schon zu viel Einfluss aus, schürfen nach Belieben Betongold. Und: Man sieht die neuen Riesen von Schloss Nymphenburg aus.
Aber die Landeshauptstadt hat eben auch ein gravierendes Platzproblem. Will man München auf der Suche nach Wohnraum nicht kaputtverdichten, kann es nur in eine Richtung gehen: nach oben. Zudem scheinen die Hochhäuser stimmig eingebettet zu sein – das neue Areal um die alte Paketposthalle wird urban und attraktiv werden. Hochhäuser sind, plant man sie umsichtig, nicht per se hässlich – gerade an der Bahnstrecke im Westen können sie wirken wie Tore. Ja, sie wären Ausrufezeichen eines neuen Zeitalters für München. Aber die Stadt wäre gut beraten, wenn sie in die Zukunft schauen würde – und ihr Blick dabei nicht am Kirchturm hängen bliebe.
Johannes.Loehr@ovb.net