Der Nachwuchs muckt auf

von Redaktion

Die JU, einst sein größter Fanclub, will Söder auf mehr Tilgung und eine Urwahl festnageln

München – Auf dem Weg ganz nach oben hat Markus Söder von der Jungen Union mal kräftigen Rückenwind bekommen. Im November 2017 reckte die JU-Landesversammlung blaue Schilder in die Höhe: „MP Söder!“, „Erneuerung jetzt!“ Im Machtkampf mit Horst Seehofer war das ein überdeutliches Signal, fast jede Zeitung druckte die Fotos. Die JU-Forderung wurde kurz darauf wahr. Seither ist mit dem Rückenwind aber Schluss: Söder und die JU entfremden sich.

In einem Monat tagt die JU-Landesversammlung wieder. Statt Jubel-Schildchen gibt es diesmal mehrere Anträge, die sich mit Söders Politik kritisch auseinandersetzen. Vor allem will der Parteinachwuchs offiziell beschließen, Söder auf das Tilgungsziel 2030 festzunageln. Die Regierung solle „eine Strategie aufzeigen, wie die Senkung der Staatsverschuldung des Freistaats auf Null bis zum Jahr 2030 erreicht werden kann“. Wenig verklausuliert kritisiert die JU, Bayern gebe zu wenig Geld für Tilgung aus.

Söder will das von Seehofer ausgegebene 2030-Ziel kippen. Die vollmundigen Einsparpläne des Vorgängers gingen nachweislich nicht auf, Söder legte zudem mit den Freien Wählern milliardenschwere Mehrausgaben drauf. Schulden „verspielen die Zukunftschancen der jungen Generation“, sagte der designierte JU-Chef Christian Doleschal unlängst, Söder dürfe „nicht dem Gift der billigen Kredite erliegen“.

Der Ministerpräsident reagierte genervt auf die Belehrungen. Zukunftsinvestitionen in Hightech und Forschung hält er für generationengerechter. Mit der JU hadert er ohnehin neuerdings. Zwei sehr junge Minister holte er ins Kabinett (Hans Reichhart, Judith Gerlach), Doleschal bekam einen Listenplatz, der ihn ins Europaparlament katapultierte. Formal dürfte der CSU-Nachwuchs mehr Einfluss denn je haben. Söder machte in kleinen Runden aber wiederholt deutlich, dass er sich frischere Impulse erhofft.

Ein Teil des Problems liegt wohl auf Bundesebene. Der neue JU-Bundesvorsitzende Tilman Kuban kommt einigen Unionspolitikern zu konservativ-behäbig daher, tritt für Wehrpflicht und Kernkraft ein, gegen Mindestlöhne. Da wirke „die Senioren-Union jünger“, lästert ein Regierender. Bayerns JU hatte Kuban zum Sieg verholfen.

Dem Bundeschef dürfte ein zweiter Antrag der JU-Landesversammlung in der Oberpfalz gefallen: Der CSU-Nachwuchs spricht sich für eine Urwahl des Kanzlerkandidaten aus. CDU und CSU bräuchten „ein demokratisches, transparentes Nominierungsverfahren“. Söder hält von einer Urwahl nichts, die Parteispitzen sollen entscheiden.

Ein ungewöhnlicher inhaltlicher Impuls ist in der JU strittig. Der Bezirksverband Oberbayern beantragt, bundesweit „Foodsharing-Container“ zu erlauben. „Im Schnitt werden in Deutschland 313 Kilo Lebensmittel pro Sekunde unnötig weggeworfen“, sagt Oberbayerns JU-Chef Daniel Artmann. Er regt an, auch die Unternehmen zu sensibilisieren. Derzeit ist es als Diebstahl strafbar, genießbare Lebensmittel aus dem Müll etwa vor Supermärkten zu entnehmen. Die CSU lehnt eine einfache Legalisierung des „Containerns“ strikt ab. Der JU-Vorstoß könnte einen anderen Weg dafür aufzeigen. CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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