Linke will Airlines verstaatlichen

von Redaktion

Im Wettstreit um das effektivste Klimakonzept schlägt die Linke einen radikalen Kurs ein. Der Parteivorsitzende fordert, Fluggesellschaften zu verstaatlichen. Die Reaktionen sind eher irritiert.

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER, UTE WESSELS UND MARCO HADEM

München – Manchmal kann man sich mit einem Blick ins Archiv eine Menge Ärger ersparen. In diesen Tagen lohnt es sich, ein paar Zeitungen und Magazine aus dem September 1982 herauszukramen. Dort wird über die nicht so segensreiche staatliche Fluglinie „Interflug“ berichtet. Die DDR-Airline stürzte sich in jenen Wochen in einen erbitterten Preiskampf mit den West-Gesellschaften. „Die Dumpingpreise der Ost-Deutschen sind kaum noch zu unterbieten“, klagte 1982 der „Spiegel“. Ein Drittel mehr Kerosin-Verbrauch, aber 70 Prozent günstigere Preise.

Die Episode lässt einen Vorschlag aus der heutigen Linkspartei ungewöhnlich anmuten. Parteichef Bernd Riexinger fordert, den Preiskampf zwischen Fluggesellschaften per Verstaatlichung zu beenden. Fluggesellschaften gehörten wie Bahn und Energieversorgung in staatliche Hand, sagte Riexinger der Funke-Mediengruppe. „Was so dramatische gesellschaftliche Folgen haben kann, darf nicht marktwirtschaftlich und unreguliert bleiben.“ Co-Parteichefin Katja Kipping sagte am Sonntag im ZDF, die Debatte sei richtig. Es sei ein „neoliberaler Irrlaube“, dass alles effizienter werde, wenn man es privatisiere.

Die Staats-Linie aus der DDR von Riexingers Vorgänger-Partei ist kein geeignetes Vorbild, weder ökologisch noch wirtschaftlich. Sofort nach der Einheit 1990 ermittelte die Lufthansa ein Defizit von einer Million Mark pro Woche bei der Interflug. Der Betrieb wurde liquidiert.

Entsprechend harsch sind die Reaktionen. SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach, der sich auch um den Parteivorsitz bewirbt und zum linken Flügel der SPD gehört, kontert: Klimaschutz im Verkehr müsse erreicht werden, indem Bahn und öffentlicher Nahverkehr besser und billiger würden. „Wir brauchen grüne Marktwirtschaft, keinen grünen Staatskapitalismus.“ CSU-Generalsekretär Markus Blume nennt die Pläne „gruselig“, die „DDR 2.0“ scheine durch. „Die SED lässt grüßen“, sagt AfD-Vize Georg Pazderski. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Marco Buschmann wirft Riexinger vor, er missbrauche „die ökologische Sensibilität der Menschen für neosozialistische Gedankenspiele“.

Interessant ist jenseits der schroffen Worte: Die Forderung, das Fliegen zu verteuern, ist in den meisten Parteien Konsens. Am Wochenende schwenkte hier auch die CSU ein mit dem Plan, die Fluggastabgabe auf Inlandsflügen deutlich zu erhöhen und Bahn-Tickets zu vergünstigen. Das könnte Teil eines Pakets werden, auf das das Klimakabinett der Bundesregierung sich am 20. September einigen will. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) will ja die Luftverkehrsabgabe in Deutschland erhöhen. Grünen-Chef Robert Habeck hatte sich kürzlich für eine Kerosinsteuer auf innerdeutsche Flüge ausgesprochen.

In der CSU wird derweil erstmals ein Rahmen für das angedachte Klima-Kreislauf-Budgets genannt, aus dem der Staat zum Beispiel Bahnausbau, billigere Zugtickets, Technologieförderung und Subventionen für Heizungsaustausch finanzieren könnte. Unions-Fraktionsvize Georg Nüßlein sagte: „Ich stelle mir dafür eine Größenordnung von rund 150 Milliarden Euro vor, die wir in zehn Jahren wieder abfinanzieren.“

Die CSU will Anfang September ihr Klimakonzept bei einer Vorstands-Klausur beschließen. Auf Landesebene will das bayerische Kabinett am Dienstag zudem Klimaschutzideen präsentieren: ein formal fast unbegrenzter Zubau von Fotovoltaik, neue Windanlagen auf abgelegen staatlichen Flächen. Und: Strengere Flug-Regeln für Politiker und Beamte. Laut Regierungskreisen soll das Reisekostengesetz so geändert werden, dass im Inland grundsätzlich Bahnfahrten Vorrang bekommen, auch wenn sie etwas teurer sind.

Hier gibt es ausgerechnet bei der Linken ähnliche Ideen. Für den Bund forderte Kipping im ZDF, strengere Regeln für Dienstreisen von Abgeordneten und Ministeriumsmitarbeitern zu erlassen. Flugreisen im Inland sollten ihnen im Regelfall nicht mehr erstattet werden.

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