Anwältin: Kreml-Kritiker im Gefängnis vergiftet

von Redaktion

Zuvor hatte schon Ärztin den Verdacht geäußert – Oppositionspolitiker Nawalny in Klinik eingeliefert

Moskau – Der in ein Krankenhaus eingelieferte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ist laut seiner Anwältin vergiftet worden. Er sei mit einer „unbekannten chemischen Substanz“ in Berührung gekommen, sagte Olga Michailowa am Montag. Nawalnys Ärztin Anastasia Wassiliewa hatte diesen Verdacht bereits zuvor auf Facebook geäußert. Der 43-Jährige sei inzwischen wieder ins Gefängnis gebracht worden, obwohl er nicht wieder „völlig hergestellt“ sei.

Wassiliewa zufolge litt der Oppositionspolitiker unter geschwollenen Augenlidern und hatte Ausschlag an Nacken, Rücken, Rumpf und Ellenbogen. Nawalny habe noch nie eine allergische Reaktion erlitten, erklärte die Ärztin nach einem Besuch im Krankenhaus. Sie forderte eine Untersuchung der Bettwäsche in seiner Zelle. Der Kreml-Kritiker war am Sonntag aus dem Gefängnis in eine Klinik verlegt worden. Seine Sprecherin Kira Jarmisch sprach von einer „schweren allergischen Reaktion“.

Der Oppositionspolitiker war am Mittwoch zu 30 Tagen Haft verurteilt worden, weil er zu einem nicht genehmigten Protest am Wochenende aufgerufen hatte. Nawalny ist einer der prominentesten Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Demonstrationen organisiert – und saß dafür immer wieder kurz in Haft.

Am Montag bekam Wassiliewa nach eigenen Angaben die Erlaubnis, Nawalny zu untersuchen. Die Augenärztin hatte den Politiker schon 2017 behandelt, als er nach einem Angriff fast die Sehkraft auf einem Auge verlor.

Sie warf den Ärzten in dem Moskauer Krankenhaus vor, die Ursache von Nawalnys Symptomen nicht untersuchen zu wollen. Sie hätten lediglich gesagt, er habe einen Nesselausschlag. Ein Sprecher des Krankenhauses sagte der Nachrichtenagentur AFP, Nawalny sei in einem „zufriedenstellenden Zustand“. Seine Körpertemperatur liege bei 36,6 Grad. Zur Diagnose der Ärzte sagte er nichts.

Am Samstag waren laut der russischen Nichtregierungsorganisation OWD-Info rund 1400 Demonstranten auf einer nicht genehmigten Kundgebung für freie Kommunalwahlen in Moskau festgenommen worden. Rund 3500 Menschen hatten offiziellen Angaben zufolge gegen den Ausschluss zahlreicher Oppositionskandidaten von der für September geplanten Kommunalwahl in Moskau demonstriert. Für Samstag rief die Opposition zu erneuten Protesten auf.

Die Bundesregierung forderte am Montag die rasche Freilassung der inhaftierten Demonstranten. Vizeregierungssprecherin Ulrike Demmer rief zudem die russische Regierung „zur Einhaltung der Prinzipien von OSZE und Europarat“ auf, was demokratische Grundsätze wie die Meinungsfreiheit betreffe. Zuvor hatten bereits die EU und die USA den Polizeieinsatz in Moskau als unverhältnismäßig verurteilt.

Im September war bereits der russische Pussy-Riot-Aktivist Pjotr Wersilow mit möglichen Symptomen einer Vergiftung in eine Klinik gebracht worden. Der damals 30-Jährige machte den Geheimdienst dafür verantwortlich. Hintergrund, so glaubt Wersilow, seien seine Recherchen über drei ermordete russische Journalisten in Zentralafrika.

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