Politik warnt vor Klima-Generalstreik

von Redaktion

Die Klimadebatte wird schriller. Politiker kämpfen um ein grünes Profil, Aktivisten treffen sich trotz Ferien und rufen alle Bürger zum Generalstreik auf. Bayerns Wirtschaft mahnt zur Mäßigung.

VON MARC BEYER

München – Sie sei nun so lange im Geschäft, sagt Claudia Kemfert, da sei vieles in der Klimadebatte, was für die Öffentlichkeit jetzt neu sein mag, in Wahrheit längst bekannt. „Das diskutieren wir seit Jahren auf höchster politischer Ebene“, bestätigt die Energieökonomin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Ansätze und Konzepte machten die Runde, aber konkret passiert ist nie etwas: „15 Jahre lang wurde es immer nur zur Seite geschoben.“

Kaum ein Tag scheint ja gerade zu vergehen, ohne dass die Klimadiskussion um neue Ideen aus der Politik erweitert wird. Dass die K-Frage allerdings nicht allein eine ökologische ist, rückt manchmal in den Hintergrund.

Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) plädiert dafür, bei allen Anstrengungen die Balance zu wahren zwischen Umwelt, Wirtschaft und Sozialem. Wachstum, argumentiert Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt gegenüber unserer Zeitung, schaffe schließlich „die finanziellen Mittel für Maßnahmen des Umweltschutzes sowie für sozialpolitische Auf- und Ausgaben“. Umgekehrt sei Stabilität „erst in einem intakten ökologischen und sozialen System möglich“. Diese Balance zu finden, ist eine Herausforderung für alle Beteiligten. Die vbw wolle dabei „Teil der Lösung und nicht Teil des Problems“ sein.

Die Klimadebatte ist auch deshalb so kompliziert, weil sie von derart unterschiedlichen Positionen aus geführt wird. Die Gräben verlaufen innerhalb der Koalition, wo man sich weder auf CO2-Steuer (SPD-Tendenz) noch einen Handel mit Verschmutzungsrechten (Union) einigen kann, ebenso wie zwischen Wirtschaftsbossen und breiter Bevölkerung. Einen gemeinsamen Nenner sieht die vbw allerdings: die Rolle des Verbrauchers. „Nachhaltiges Wirtschaften wird wesentlich durch das Konsumverhalten beeinflusst, da Unternehmen ihr Angebot an der Nachfrage ausrichten“, sagt Brossardt. Verschieben die sich „auf umweltfreundlichere sowie ressourcenschonender hergestellte Produkte“, müssten sich die Unternehmen daran orientieren.

Das muss nicht nur ein Zwang sein, sagt Claudia Kemfert. Es ist auch eine Gelegenheit zum Wachstum auf neuen Märkten: „Klimaschutz schafft jede Menge wirtschaftliche Chancen.“ Man muss sie dann aber auch nutzen: „Irgendwann kommt die Quittung. Die Zeit läuft uns davon.“

Dieser Satz könnte auch in Dortmund gefallen sein. Mehr als 1500 Anhänger der „Fridays for Future“-Bewegung treffen sich dort gerade zum Sommerkongress. Dass Ferien sind, hat der Bewegung nichts von ihrer Energie genommen. Es geht ums Vernetzen, Informieren, Bestärken. Das Thema ist zwar in der Mitte der Gesellschaft angekommen, aber eine gewisse Bequemlichkeit scheint es noch zu geben. In der Bevölkerung ist die Hoffnung groß, dass Klimaschutz sich halbwegs schmerzfrei bewältigen lässt. Laut „Deutschlandtrend“ setzen die Befragten überwiegend auf Anreize und lehnen Verbote ab. 72 Prozent sprechen sich für eine Förderung aus, 15 Prozent wollen klimaschädliches Verhalten geahndet sehen.

Die Aktivisten in Dortmund wollen die Gangart weiter verschärfen. Nächster wichtiger Termin wird der 20. September. Dann ruft „Fridays for Future“ zum Generalstreik auf. „Warum legt man nicht einfach mal – steile These – dieses Land lahm an einem Freitag?“, forderte der TV-Entertainer Joko Winterscheidt in Dortmund.

Die Große Koalition wollte in jenen Tagen ihr neues Klimakonzept vereinbaren. Die Union reagierte nach kurzem Zögern schroff. CSU-Generalsekretär Markus Blume veröffentlichte am Freitagabend ein Video, in dem er Winterscheidt scharf angreift. Der Vorschlag sei „einfach nur daneben“. Millionen von Menschen könnten nicht einfach ihre Arbeit beiseite legen. Winterscheidt solle besser bei sich anfangen und seine Flugreisen nach Jamaika oder Florida einstellen.

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