GEORG ANASTASIADIS
Zwei der drei „Schicksalswahlen“ in Deutschlands wildem Osten sind geschlagen. Wie taumelnde Boxer stehen die gebeutelten Volksparteien CDU und SPD im Ring. Aber in den Parteizentralen wissen sie noch immer, wie man Niederlagen in Siege ummünzt: Die CDU freut sich, dass sie dank Kretschmer-Effekt in Sachsen vor der AfD geblieben ist. Die SPD lächelt, weil sie in Brandenburg nach einem starken Finale weiter den Ministerpräsidenten stellen darf. Fehlt eigentlich nur der zufriedene Hinweis, dass die Genossen überall die 5-%-Hürde gemeistert haben.
Ob das „Remain“-Lager um SPD-Vizekanzler Olaf Scholz daraus genug Kraft schöpfen kann, um eine Beerdigung der Berliner GroKo durch die entnervten Parteigenossen noch zu verhindern, wird sich bis Dezember zeigen müssen. Dazu bedürfte es wohl der Raffinesse des Kanzlerinnen-Lagers in der CDU: Die Partei eilt von einem Wahldebakel zum nächsten, doch niemand käme auf die Idee, das der langjährigen Chefin anzulasten. Angela Merkel hat mit ihrer Politik dazu beigetragen, dass sich rechts von der Union eine neue „Alternative“ einnisten konnte, die die CDU mancherorts bereits als Volkspartei ablöst, etwa in Brandenburg. Doch die neue Trümmerfrau der CDU heißt Annegret Kramp-Karrenbauer. Auch das ist Schicksal.
Ansonsten heißt die Devise in Dresden und Potsdam nach der Wähler-Watschn: aufstehen, Krönchen richten und weitergehen. Hastig werden nun Dreierkoalitionen unter Einschluss der (im Osten hinter den Prognosen zurückgebliebenen) Grünen geschmiedet. Es sind in Wahrheit AfD-Abwehrbündnisse – wie dazu gemacht, die „Alternative“ noch mächtiger werden zu lassen. Denn der brennende Wunsch vieler Ostdeutscher, dem Westen und seinen liberalen Eliten die (empfundenen) Demütigungen seit dem Fall der Mauer heimzuzahlen, wird bleiben. Und für diese Abrechnung eignet sich nichts besser, als sein Wahlkreuz dort zu machen, wo es den Westen am meisten schmerzt – bei der AfD. Sie ist, was die Linke zu ihrer bösen Überraschung seit gestern nicht mehr ist: die Stimme des Ostens.
Georg.Anastasiadis@ovb.net