München – Für Katrin Ebner-Steiner muss es etwas Befreiendes haben. Beim AfD-Sonderparteitag im Juli stand die Niederbayerin noch im Zentrum eines Sturms. Die Mitglieder machten ihr schwere Vorwürfe: von Abgehobenheit bis zur Etablierung eines „stalinistischen Herrschaftsregimes“ in der Landtagsfraktion. Keine zwei Monate später trifft sich die Partei nun wieder – aber diesmal wohl ohne vergleichbar großes Ebner-Steiner-Fanal.
Was nicht heißt, dass es deshalb ruhig wird.
Beim Parteitag im mittelfränkischen Greding wählen die Mitglieder am Samstag und Sonntag einen neuen Vorstand. Ebner-Steiner hat schon vor Monaten angekündigt, nicht mehr für das Amt der Vize-Vorsitzenden zu kandidieren, ganz anders Landeschef Martin Sichert. Er bekam im Juli auch einiges ab, will aber trotzdem weitermachen. Er gehe, so sagte er, „sehr entspannt“ in die Wahl.
Der Zweckoptimismus kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im Landesverband nach wie vor heftig brodelt. Sichert und sein Team hätten die Bayern-AfD zum „Schmuddel-Verband“ herabgewirtschaftet, hieß es vor zwei Monaten. Das Wort findet sich nun genau so in einem Schreiben wieder, das 14 AfD-Mitglieder an den Landesvorstand geschickt haben.
In dem Schriftstück, das unserer Zeitung vorliegt, ziehen die 14 eine verheerende Bilanz der Zeit unter Sichert. Sie werfen dem Landesvorstand unter anderem einen desaströsen und überteuerten Landtagswahlkampf, eine miserable Außenwirkung, „Inkompetenz“ und „Organisationsversagen“ vor. Mit ihm habe sich eine „Herrschaft des Unrechts“ etabliert. Für AfD-Ohren ist das besonders heftig, schließlich hatte Horst Seehofer so einst die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel bezeichnet.
Die Vorwürfe könnten Sichert bei der Aussprache in Greding um die Ohren fliegen. Trotzdem hat er Chancen, wiedergewählt zu werden. „Die Stimmung ist geteilt“, sagt der Bundestagsabgeordnete und bayerische AfD-Vize Gerold Otten. Zwar gibt es bisher keinen ernst zu nehmenden Gegenkandidaten – nur der unbekannte Andre Lihl aus Würzburg hat angekündigt, Sichert herauszufordern. Doch viele gehen davon aus, dass sich mindestens ein starker Konkurrent spontan zur Wahl stellt.
Intern sind einige Namen im Spiel. „Ich könnte mir vorstellen, dass Martin Hebner sich aus der Deckung wagt“, sagt Otten. Der Bundestagsabgeordnete aus Dießen (Kreis Starnberg) war schon vor zwei Jahren gegen Sichert angetreten, unterlag aber. Ihm werden Sympathien zum rechts-nationalen „Flügel“ nachgesagt – zweifelsfrei zuordnen lässt er sich aber, wie Sichert, nicht. Ein Ansporn für beide: Die Bundestagsabgeordneten schielen mit einem Auge schon auf gute Listenplätze für mögliche Neuwahlen im Bund. Ein Vorstandsamt hilft da weiter.
Eine andere wichtige Frage wird sein, ob der Richtungsstreit zwischen dem „Flügel“ und den vergleichsweise Gemäßigten bei der Vorstandswahl eine Rolle spielt. Die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg haben die Rechtsausleger in der Partei beflügelt. Allerdings schloss der Landesvorstand mit dem Regensburger Benjamin Nolte und Georg Hock auf Kulmbach zuletzt zwei „Flügel“-Vertreter aus. Mit Katrin Ebner-Steiner fällt eine weitere weg. Zudem gilt der „Flügel“ in Bayern seinerseits als zerstritten.
„Ich glaube nicht, dass der ‚Flügel‘ bei der Wahl versuchen wird, einen Kandidaten durchzudrücken“, sagt der Landtagsabgeordnete Andreas Winhart aus Bad Aibling. Er hofft auf ein neues Gesicht an der Parteispitze. Sichert sei, zumindest im Kreisverband Rosenheim, nicht mehr allzu populär. „Der Neue muss einer sein, der integrativ ist und nicht mehr für den Richtungsstreit steht.“
Käme es so, wäre das nach dem Donnerwetter des jüngsten Parteitags eine Überraschung. Denn dort schien es eher so, als seien die Gräben zwischen den konkurrierenden Lagern noch tiefer geworden. Außerdem sind Wahlparteitage der AfD immer unvorhersehbar. Es gibt keine Delegierten, abstimmen darf, wer kommt. Otten sagt, er erwarte einen „lebhaften Parteitag“. Mit anderen Worten: Es könnte wieder gewaltig krachen.