Rom/Brüssel – Sie lachen und scherzen, ihre Gesten strahlen Vertraulichkeit aus. Glaubt man den Bildern, können Premier Giuseppe Conte und die baldige EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen recht gut miteinander. In den italienischen Medien ist von einem verheißungsvollen Neustart zwischen Rom und Brüssel die Rede.
Genau diesen „Reset“ hatte Conte – befreit von den anti-europäischen Fesseln seines bisherigen Mitregenten Matteo Salvini und dessen Lega – in seiner Regierungserklärung beschworen. Mit von der Leyen scheint er die ideale Partnerin gefunden zu haben. Immerhin hatten die Abgeordneten des Movimento 5 Stelle für die deutsche Kandidatin gestimmt und ihr somit die Mehrheit gesichert. Ein „Verrat“, wie Ex-Vizepremier Salvini bis heute tobt. Rückblickend war das der Punkt, an dem das Bündnis der Populisten zerbrach.
Dass Conte und von der Leyen so gelöst wirkten, mag an den Erfolgen liegen, den die beiden just in diesen Tagen eingefahren haben. Mit dem positiven Vertrauensvotum in beiden Kammern des Parlaments ist Italien wieder voll handlungsfähig. In Brüssel steht pünktlich das Personaltableau der neuen Chefin für ihre Kommission. Dazu passt, dass Italiens Ex-Premier Paolo Gentiloni das Wirtschaftsressort übernimmt und somit auch für die europäische Investitionspolitik zuständig sein wird.
Jetzt kann losgelegt werden; Conte und von der Leyen schlugen gleich Pflöcke ein: „Der Vertrag von Dublin muss reformiert werden“, sagte die Deutsche in Anspielung auf die Asylregeln. Die machen automatisch das Ankunftsland zum vorläufigen Aufnahmeland. Von der Leyen will dies ändern. „Das ist eine Frage der Solidarität, nicht der geografischen Lage. Für mich ist das einer der wichtigsten Punkte.“
Für Conte dürfte es wie Musik in den Ohren geklungen haben. „Wir wollen einen neuen Verteilungsschlüssel für die bei uns ankommenden Migranten und notfalls Geldbußen für die unwilligen EU-Staaten“, ergänzte er. Die EU würde damit eine langjährige Kernforderung Italiens erfüllen. „Die Ignoranz der europäischen Partner gegenüber dem Flüchtlingsströmen übers Mittelmeer nach Italien hat die Rechtspopulisten erst groß gemacht.“ So sieht es etwa die Journalistin Vanna Vanuccini von der Zeitung La Repubblica. „Europa ist endlich aufgewacht, hoffentlich nicht zu spät.“
Dass die Widerstände vieler Länder eine Neuregelung des Asylrechts in der EU schwierig machen, dessen ist man sich in Rom bewusst. Deshalb, so regierungsnahe Quellen, werde man das wichtigste Druckmittel nicht so schnell aus der Hand geben: Auf absehbare Zeit wird es keine freie Einfahrt für Rettungsschiffe geben. Es solle fallweise entschieden werden. So werden die Worte der neuen Innenministerin Luciana Lamorgese interpretiert.
Die parteilose Spitzenbeamtin weiß, wovon sie spricht; sie hat ihre Karriere im Innenressort gemacht, war Stabschefin von zwei ihrer Vorgänger. Mit Salvini hatte sie sich überworfen. Rechtsbruch duldet sie nicht. „Ich kann mit den Begriffen offene Häfen, geschlossene Häfen nichts anfangen“, erklärte sie in ihrem ersten Interview. Es gehe um Humanität und Rettung von Menschenleben, aber eben auch um Kontrolle und Sicherheit. „Beides muss vernünftig miteinander verbunden werden. Das geht aber nur im gesamteuropäischen Rahmen.“ Partner für diesen „dritten Weg“ sieht Lamorgese in Berlin, Paris und Brüssel. Mit Bundesinnenminister Seehofer will sie sich kommende Woche in Berlin treffen.