London/Brüssel – Mega-Staus und Mangel an Lebensmitteln: Auf Druck des Parlaments hat die britische Regierung ein internes Papier zu den möglichen Folgen eines ungeregelten Brexits veröffentlicht. Das publik gemachte „Yellowhammer“-Dokument enthält Prognosen darüber, was bei einem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ohne Abkommen passieren dürfte. Für Aufsehen sorgt besonders, dass der Titel offenkundig entschärft wurde.
In dem mehrseitigen Dokument wird vor Protesten und Störungen der öffentlichen Ordnung gewarnt. Dies könnte eine „erhebliche Menge“ der Polizeikräfte in Anspruch nehmen. Eher pessimistisch äußern sich die Experten in den Dokumenten, ob wirklich eine harte Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden kann. Kritiker fürchten in dem Fall politische Unruhen. Selbst auf dem Meer wird mit Ärger gerechnet: Es könnte zu Auseinandersetzungen zwischen britischen Fischern und Kollegen aus EU-Ländern kommen.
Wegen Zollkontrollen könnten am Ärmelkanal tagelange Wartezeiten für Lastwagen entstehen. Es könnte bis zu drei Monate dauern, bis sich die Lage beruhigt. Dies führe womöglich unter anderem zu Lieferengpässen bei Medikamenten. In der Folge könnten Krankheiten bei Tieren ausbrechen, die wiederum die menschliche Gesundheit gefährden. Urlauber müssten sich auf Flughäfen, bei Fahrten mit Fähren über den Ärmelkanal und bei Nutzung des Eurotunnels den Prognosen zufolge in Geduld üben. Einige Lebensmittel wie frisches Gemüse dürften knapp werden. Hamsterkäufe könnten das Problem verschlimmern – schon jetzt decken sich viele Briten vorsichtshalber mit Waren ein. Lagerhallen für empfindliche Produkte sind längst ausgebucht. Die Engpässe und Hamsterkäufe führen den Dokumenten zufolge zu steigenden Preisen – nicht nur bei Lebensmitteln. Auch der Kraftstoff soll teurer werden
Die Experten fürchten zudem, dass die britische Exklave Gibraltar nicht genügend auf den ungeregelten Austritt vorbereitet ist. So ist an den Grenzen zu Spanien mit langen Wartezeiten zu rechnen.
Der „Sunday Times“-Journalistin Rosamund Urwin waren schon vor Wochen inhaltlich identische Dokumente mit der Überschrift „Grundlegendes Szenario“ zugespielt worden. Die von der Regierung veröffentlichten Papiere tragen den Titel „Planungsannahmen für den schlimmsten Fall“. Der Labour-Politiker Andy McDonald forderte, dass Premierminister Boris Johnson umgehend zu den Dokumenten Stellung nehmen müsse. Die Planungen erinnerten an einen „Krieg oder an eine Naturkatastrophe“. „Operation Yellowhammer“ (Goldhammer) ist der Code-Name für die No-Deal-Planung der britischen Regierung. CHR. MEYER/ S. SIDLO