Wien – Eigentlich war es der Leopoldinische Trakt in der Wiener Hofburg, den sich Norbert Hofer als künftigen Amtssitz ausgesucht hätte. In den ehemaligen Zeremonienräumen der Habsburger residiert seit 1945 der Bundespräsident – das Staatsoberhaupt der Republik Österreich. Nur haarscharf verfehlte Hofer 2016 sein Ziel. In einem Kopf-an-Kopf-Rennen unterlag er dem Grünen Alexander Van der Bellen.
Nun gehört ihm die Bühne erneut. Am Samstag wird sich Hofer auf dem Parteitag in Graz zum Parteichef der FPÖ wählen lassen. Als Vorsitzender der Rechtspopulisten soll der 48-Jährige die Scherben beseitigen, die sein Vorgänger Heinz-Christian Strache hinterlassen hat. Mit seinen Aussagen im „Ibiza-Video“ hatte der eine Regierungskrise ausgelöst, in deren Verlauf Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Koalition mit der FPÖ aufkündigte und Neuwahlen ausrief.
Am 29. September wählen die Österreicher einen neuen Nationalrat. Norbert Hofer ist als Spitzenkandidat der FPÖ in den Ring gestiegen und versucht, seine Partei von den Erblasten seines Vorgängers zu befreien. So recht will ihm das allerdings nicht gelingen. Vor allem ihre Nähe zu den Identitären beschert der FPÖ fast täglich Negativschlagzeilen.
Zugute kommt Hofer, der dem gemäßigten Flügel zugerechnet wird, sein Image als seriöses Gesicht der Partei. Bei öffentlichen Auftritten gibt er sich verbindlich, reagiert auf Angriffe besonnen. Kritiker bezeichnen den designierten Chef deshalb als „Wolf im Schafspelz, der Kreide gefressen hat“. Tatsächlich gilt Hofer als knallharter Parteiideologe, der mit seinen Anti-Migrationsparolen die blaue Basis für sich gewinnen kann.
Für Wirbel sorgt auch seine Mitgliedschaft bei der „Marko-Germania zu Pinkafeld“, einer schlagenden Verbindung mit deutschnationaler Ausrichtung und fragwürdigem Verhältnis zur österreichischen Nation. In einer Festschrift beruft sich die Burschenschaft etwa auf das „deutsche Vaterland unabhängig von bestehenden staatlichen Grenzen“.
Hofers politischer Aufstieg begann 1995, nachdem er zum FPÖ-Stadtvorsitzenden in Eisenstadt (Hauptstadt des Bundeslandes Burgenland) ernannt worden war. Elf Jahre später wurde der gelernte Flugzeugtechniker erstmals als Abgeordneter in den Nationalrat gewählt. Zeitgleich übernahm Hofer die Funktion des FPÖ-Behindertensprechers. Nicht zuletzt aus eigener Betroffenheit. 2003 hatte er sich bei einem Paragleiter-Absturz schwere Wirbelsäulenverletzungen zugezogen und ist seither größtenteils auf einen Stock angewiesen.
2017 holte ihn Bundeskanzler Kurz in sein Regierungskabinett aus ÖVP und FPÖ und machte ihn zum Infrastrukturminister. Hofers Prestigeprojekt: die Einführung von Tempo 140 auf zwei Drittel aller österreichischen Autobahnen.
Als Wahlziel hat sich der vierfache Vater eine Neuauflage der Koalition gesetzt. In so einem Fall würde er wohl Vize-Kanzler werden. Hofers Amtssitz wäre dann vermutlich das „Palais Dietrichstein“. Ein barocker Prachtbau nahe des Burgtheaters – und nur fünf Minuten Fußweg von der Wiener Hofburg entfernt. BRIGITTE QUINT