München/Fulda/Rom – Der Brief aus Rom war wie ein Schlag in die Magengrube all derer, die sich auf den Weg nach Fulda gemacht hatten, um den Reformprozess in der katholischen Kirche in Deutschland vorzubereiten. Just am Freitag wurde das Scheiben aus der vatikanischen Bischofskongregation bekannt, in dem dessen Leiter Kardinal Marc Ouellet deutliche Vorbehalte gegen den „synodalen Weg“ der katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken äußert und heftige Kritik an den deutschen Plänen übt.
Nachdem wegen der Skandale der vergangenen Jahre die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche zutiefst erschüttert worden ist und ihr seit Jahren die Mitglieder in Scharen davonlaufen, hatte der DBK-Vorsitzende Kardinal Reinhard Marx die Bischofskonferenz zu einer Mehrheitsentscheidung gebracht, zusammen mit den Vertretern der Laien einen Diskurs auf den Weg zu bringen. Vier große Themen sollen dabei diskutiert werden: die Aufarbeitung der sexuellen Missbrauchsfälle und des Missbrauchs von Macht, die Lebensform der Priester, die Sexualmoral der Kirche und die Rolle der Frauen. An diesem Wochenende sollen erste Schritte zu dem Projekt auf den Weg gebracht werden.
Doch glaubt Kardinal Ouellet jetzt in seinem Brief vom 4. September klarstellen zu müssen: Das alles sind Fragen, über die deutsche Katholiken nicht im Alleingang entscheiden könnten – was sie aber auch nicht für sich in Anspruch genommen hatten, wie der Münchner Kardinal Marx und der ZdK-Präsident Thomas Sternberg mehrfach im Vorfeld betont hatten. Trotzdem der Schuss vor den Bug aus Rom: Die deutsche Teilkirche könne nicht über Themen wie die Position der Frauen entscheiden, weil diese die ganze Weltkirche beträfen, heißt es klipp und klar in dem Brief. Und die Nicht-Kleriker vom ZdK hätten schon mal gar kein Recht, mitzuentscheiden – schließlich sei die Kirche „nicht (…) demokratisch strukturiert“. Kirchenexperten wie der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller urteilen bereits: „Der synodale Prozess kann damit nicht wie geplant durchgeführt werden.“ Er ist davon überzeugt, dass die kleine konservative Minderheit um den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und den Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer ihre Kontakte nach Rom genutzt hat, um den Reformprozess auszubremsen.
Kardinal Marx ist, wie man hört, ausgesprochen verärgert. Kommende Woche ist er in Rom bei Papst Franziskus zur Sitzung des Kardinalsrats. Die Gelegenheit wird er nutzen, „Missverständnisse“ auszuräumen. Er ließ noch am Morgen von der Bischofskonferenz klarstellen, dass sich Ouellets Brief auf eine längst überholte Entwurfsfassung der Satzung für den „synodalen Weg“ beziehe.
Deutliche Worten kommen aus dem ZdK: Präsident Sternberg will am „synodalen Weg“ in der vorgesehenen Form und zu den vorgesehenen Themenstellungen „ganz entschieden festhalten“. Die deutschen Bischöfe hätten sie gebeten, „in einer außerordentlich schwierigen Zeit durch gemeinsam erarbeitete Reformen Vertrauen in unsere Kirche zurückzugewinnen“, machte er klar. Und fügte hinzu: „Glaubt irgendjemand, man könne in einer solchen Krise der Kirche das freie Gespräch, das nach Ergebnissen und notwendigen Reformschritten sucht, unterdrücken?“ Sternberg bezieht sich auf Papst Franziskus, der zu einer Suche nach einer freimütigen Antwort auf die gegenwärtige Situation ermuntert hat.
Am 23. September, nach der Rückkehr von Marx aus Rom, beginnt in Fulda die Herbstvollversammlung der Bischöfe. Eines ist klar: Dort sind heftige Auseinandersetzungen zu erwarten.