Berlin – Der von Frankreich, Deutschland, Malta und Italien vereinbarte Verteilmechanismus für gerettete Bootsmigranten könnte der erste Baustein für eine neue, solidarische Asylpolitik in Europa werden. Das hofft zumindest Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). „Ich sehe den großen Ertrag jetzt in dieser Initiative von Malta, dass wir damit eine Grundlage legen für eine gemeinsame europäische Migrationspolitik, die wir dringend brauchen“, sagte er am Freitag nach einer Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestags. Ähnliche Hoffnungen äußerten auch Mitglieder des Ausschusses – mit Ausnahme der Abgeordneten von FDP und AfD.
Seehofer, der bei den Koalitionsverhandlungen eine „Obergrenze“ für den Zuzug von Flüchtlingen gefordert hatte, betonte: „Ich ändere an meiner Politik überhaupt nichts. Es bleibt bei Humanität und Ordnung, und zur Ordnung gehört die Begrenzung der Zuwanderung.“
Um die Dynamik gleich zu nutzen, die durch den Regierungswechsel in Italien und die geschlossene Vereinbarung erzeugt wurde, reist Seehofer in der kommenden Woche zusammen mit Frankreichs Innenminister Christophe Castaner und dem EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos in die Türkei und nach Griechenland. Dabei soll es erstens darum gehen, dafür zu sorgen, dass der EU-Türkei-Deal zur Rücknahme von Flüchtlingen von den griechischen Inseln besser funktioniert. Zweitens will man Griechenland bei der Bewältigung der Asylprüfungen Unterstützung anbieten.
Vor allem die FDP, die AfD und seine eigene Partei hatten Seehofer in den vergangenen Tagen vorgeworfen, er schaffe mit der Zusage, jeden Vierten von Seenotrettern auf der zentralen Mittelmeerroute an Land gebrachten Menschen nach Deutschland zu holen, neue Anreize für Migranten, auf irregulären Wegen nach Europa zu kommen. „Zentrale Probleme sind nicht gelöst“, sagte FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg. Gottfried Curio (AfD) meinte: „Aufnahmegarantien sind Anreizsysteme“. Der SPD-Innenpolitiker Lars Castellucci gratulierte Seehofer dagegen zu der Malta-Vereinbarung. Er sagte, dass es Seehofer jetzt gelungen sei, für die Verteilung der Geretteten eine Einigung zustande zu bringen, sei „ein großer Schritt“.
Bisher sind bei dem neuen Verteilmechanismus außer Deutschland nur Frankreich, Italien und Malta dabei. Ihr Ziel ist es aber, beim nächsten Innenministerrat am 8. Oktober weitere Staaten zum Mitmachen zu bewegen. Die Übergangslösung sieht vor, dass aus Seenot gerettete Asylbewerber innerhalb von vier Wochen auf die am Mechanismus teilnehmenden EU-Staaten verteilt werden.
In der Vereinbarung heißt es: „Dieser als Pilotprojekt gedachte Mechanismus soll für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten gelten und kann verlängert werden – vorbehaltlich der Zustimmung der betroffenen Parteien oder gekündigt werden im Fall von Missbrauch durch Dritte.“ Mit den „Dritten“, von denen hier die Rede ist, sind wohl Schlepperbanden in Nordafrika gemeint. In dem Papier heißt es weiter: „Sollte die Zahl der umverteilten Personen innerhalb dieser sechs Monate substanziell ansteigen, werden die beteiligten Mitgliedstaaten unverzüglich zu Beratungen zusammenkommen. Während der Beratungen könnte der gesamte Mechanismus ausgesetzt werden.“