Moses aus Äthiopien

von Redaktion

Doch nicht Greta. Statt der Schwedin erhält Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed den Friedensnobelpreis. Seiner Arbeit am Horn von Afrika könnte das Antrieb geben.

VON GIOIA FORSTER UND MARCUS MÄCKLER

Addis Abeba – Um eine Ahnung von seiner Popularität zu bekommen, hilft ein Blick in die Buchläden Addis Abebas. Der Verkaufsschlager seit Monaten: eine Biografie mit dem Titel „Moses“. Es geht um einen Mann, der seinem Volk den richtigen Weg weist. Es geht um Abiy Ahmed.

Die Überhöhung im Titel kommt nicht von ungefähr: In seiner kurzen Amtszeit –Ahmed ist seit April 2018 äthiopischer Ministerpräsident – hat der 43-Jährige einige mittelgroße Wunder vollbracht. Er hat das repressiv regierte Land mit Reformen aufgerüttelt und einen Friedensprozess mit dem verfeindeten Eritrea begonnen. Vor allem darum ist Ahmed nun mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden.

Zwar muss sich die Wirkung vieler seiner Taten noch zeigen – nachhaltiger Frieden am Horn von Afrika ist noch Zukunftsmusik. Doch die Auszeichnung ist womöglich auch ein Signal: weiter so.

Als Abiy an die Macht kam, rechneten die wenigsten mit einem Umbruch. Doch er setzte eine Reform nach der anderen durch: Er ließ politische Gefangene frei, beendete einen Ausnahmezustand, strich Oppositionsgruppen von der Terrorliste und liberalisierte die Wirtschaft. Gerade junge Äthiopier feiern ihn.

Sein wohl größter Schachzug aber war der Friedensschluss mit Äthiopiens bitterem Rivalen Eritrea. Von 1998 bis 2000 führten beide Staaten einen blutigen Krieg und blieben danach verfeindet. Seine Bereitschaft zu einem bedingungslosen Frieden verkündete Abiy im Sommer 2018 – es kam wie aus heiterem Himmel. Seitdem sind die Fortschritte zwar überschaubar. Doch die Symbolkraft des Friedensschlusses war enorm.

„Er ist ein Reformer, der viele Türen öffnet“, sagt Annette Weber von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Sein politisches Gewicht nutzt er in der ganzen Region. Dem Sudan etwa half er nach dem Sturz von Präsident Omar al-Baschir aus einer tiefen Krise.

Dass Abiy das Horn von Afrika umwälzen würde, ist seinem Lebenslauf nicht unbedingt zu entnehmen. Der 1976 in Beshasha in Zentral-Äthiopien geborene Politiker diente bei den Streitkräften und war Teil der UN-Friedensmission in Ruanda. Zunächst galt er als loyaler Funktionär des Systems und baute die staatliche Internetkontrollbehörde mit auf, die Systemkritiker überwachte. Umso überraschender ist sein Wandel hin zum Reformer.

Doch der Umbruch in Äthiopien ist noch unfertig. Zudem hat Abiys Reformkurs in manchen Teilen des Landes auch neue Probleme geschaffen, Spannungen und Konflikte sind stark angestiegen. „Frieden erreicht man nicht durch die Taten einer einzelnen Person“, sagte die Vorsitzende des Nobelkomitees, Berit Reiss-Andersen, und machte klar, dass noch viel Arbeit vor dem Geehrten liege. Auch im Inland müsse er viele verschiedene Bevölkerungsgruppen einen. „Es ist noch ein langer Weg.“

Abiy Ahmet erfuhr übrigens erst nach der offiziellen Bekanntgabe davon, dass er der Preisträger ist. „Das ist ein Preis, der Afrika verliehen wird, der Äthiopien verliehen wird“, sagte der 43-Jährige in einem Telefonat mit dem Sekretär des norwegischen Nobelkomitees.

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