Von der Leyen und ihre schwierigen Patrone

von Redaktion

EU-Krach um Kommissionskandidaten: Macron macht Deutsche verantwortlich – Posselt: Grundsatz-Machtkampf

Brüssel/München – Sie ist noch gar nicht im Amt, doch schon hängt der Haussegen schief zwischen der künftigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und einem ihrer wichtigsten Förderer, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

Für die Ablehnung seiner Kandidatin für Binnenmarkt und Industrie, Sylvie Goulard, vor dem Ausschuss des Europaparlaments macht Macron nämlich die Deutsche höchstpersönlich verantwortlich. Schließlich, so heißt es im Elysée-Palast, habe sie trotz der bekannten Ermittlungen gegen Goulard auf deren Nominierung bestanden. Jetzt befinde sich Europa in einer schweren „institutionellen Krise“. Ohne einen französischen Kandidaten könne von der Leyen ihre Arbeit nicht wie geplant am 1. November aufnehmen, warnt drohend Europa-Staatssekretärin Amelie de Montchalin.

Die Überhöhung des Scheiterns von Frau Goulard zur „institutionellen Krise“ zeigt nicht nur, wie sehr Macron die Niederlage als Schmach empfindet. Dahinter steckt ein Machtkampf, der mit der Europawahl neu aufgebrochen ist. Bernd Posselt, langjähriger Europaabgeordneter und Außenpolitiker der CSU, erklärt ihn im Gespräch mit unserer Zeitung so: „Es geht um die Grundsatz-Entscheidung, die EU weiter zu parlamentarisieren und zu demokratisieren oder die Europapolitik weiter in den Händen der Staats- und Regierungschefs zu belassen, also in geheimen Absprachen im Europäischen Rat. Manfred Weber, der Spitzenkandidat der EVP bei der Europawahl, war die menschgewordene Kampfansage an diese sogenannte intergouvernementale Methode.“ Deshalb sei er nicht zum Zuge gekommen.

Posselt zufolge wäre es aber zu einfach, das Scheitern Goulards als reine Rache der EU-Abgeordneten abzutun. Es gehe dem Parlament darum, den „gezielten Schlag“ beim Nominierungsverfahren von der Leyens zu verkraften, seine Rechte gegenüber dem Rat wieder durchzusetzen und ansonsten den Weg der Demokratisierung weiter zu verfolgen. „Die Bürger wollen diesen Kurs. Das hat man bei der Europawahl eindeutig gesehen“, so Posselt. „66 Prozent Wahlbeteiligung in München muss man bei der Kommunalwahl erst einmal erreichen.“

Von der Leyen sieht Posselt in einer schwierigen Position. Sie sei zwar engagiert, müsse aber vier „Patronen“ dienen: „Es wird oft vergessen, wem Frau von der Leyen ihre Wahl zur Kommissionspräsidentin zu verdanken hat: dem Polen Kaczynski, der sie mit über 30 Mandaten unterstützt hat. Zudem Herrn Sanchez in Spanien, Herrn Macron in Frankreich und Herrn Orban in Ungarn – heterogener könnte ein Unterstützerlager nicht sein“, so Posselt. Die unterschiedlichen Erwartungen dieser vier Förderer zu erfüllen, sei selbst für „jemanden von der Professionalität von Frau von der Leyen“ nicht einfach, meint der Bayer. Diese Interessenskonflikte könne man nicht durch verbale Freundlichkeiten zudecken.

Die Juncker-Nachfolgerin stehe somit vor einer doppelten Herausforderung: Eine Politik zu entwickeln, die nicht nur die Interessen dieser Herren berücksichtigt (deren Kontur bisher nicht zu erkennen ist), und schließlich eine Mehrheit in beiden Institutionen für ihr Programm zu finden: im Europäischen Rat, aber eben auch im Europäischen Parlament.

ALEXANDER WEBER

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