Berlin/Brüssel/Ankara – Die Türkei und die USA haben eine fünftägige Waffenruhe für Nordsyrien vereinbart. US-Vizepräsident Mike Pence sagte am Abend nach langen Gesprächen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ankara, sie hätten sich auf die Aussetzung des Militäreinsatzes für 120 Stunden geeinigt, um den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) den Abzug aus der „Sicherheitszone“ an der türkischen Grenze in Nordsyrien zu erlauben. Die kurdischen Kämpfer im Nordosten Syriens sind bereit, die Feuerpause zu akzeptieren.
Sobald der Abzug der syrischen Kurdenmiliz abgeschlossen sei, werde die Türkei ihren Einsatz vollständig beenden, sagte Pence am Abend. Ein hoher türkischer Regierungsvertreter bestätigte, dass die Türkei mit den USA eine Vereinbarung zum Abzug der YPG-Miliz von der türkischen Grenze getroffen habe, um eine „Sicherheitszone“ einzurichten. Pence sagte, US-Präsident Donald Trump habe zugesagt, die gegen die Türkei verhängten Sanktionen aufzuheben, sobald es eine permanente Waffenruhe in der Region gebe. Zudem würden keine weiteren Sanktionen verhängt. Trump twitterte, nun würden Millionen Leben gerettet. Er habe unkonventionell einen großartigen Deal erreicht.
Erdogan hatte die Forderung nach einer Waffenruhe noch vor dem Gespräch abgewiesen. Kurz zuvor erreichte ihn ein eher undiplomatischer Brief von Trump. Der US-Präsident drohte ihm mit der Zerstörung seiner Wirtschaft (siehe unten).
Die Europäische Union zögert bei einem gemeinsamen Vorgehen. Beim EU-Gipfel in Brüssel wird es voraussichtlich keinen Beschluss zu Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei geben. Eine Diskussion darüber sei in Brüssel nicht zu erwarten, sagte ein hochrangiger EU-Vertreter.
In Deutschland setzte sich die Debatte über Waffenexporte in die Türkei fort. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte im Bundestag, die Militäroperation gegen die Kurdenmiliz YPG sei „ein humanitäres Drama mit großen geopolitischen Folgen“. Nun will die Bundesregierung gar keine Liefergenehmigungen mehr erteilen, egal um welche Waffen es sich handelt. Die Opposition kritisierte die Reaktion als zu harmlos.
Die Kämpfe in Nordsyrien konzentrieren sich seit einigen Tagen auf die Grenzstadt Ras al-Ain. Die kurdische Selbstverwaltung in Nordsyrien hat der Türkei den Einsatz von verbotenen Waffen wie Napalm und Phosphor vorgeworfen. Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar wies das zurück – die YPG setze selbst Chemiewaffen ein, um anschließend die Türkei dafür die Schuld zu geben, sagte er.
Die kurdischen Milizen haben den Kampf gegen die Terrormiliz eingefroren. „Wir haben in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass der Kampf gegen den IS im Fall eines Angriffs des türkischen Staates für uns zur Nebensache wird“, zitierte die kurdische Nachrichtenagentur Firat den SDF-Kommandeur Maslum Abdi. Der IS meldete, seine Kämpfer hätten ein kurdisches Hauptquartier westlich von Raka gestürmt und von den Kurden „entführte muslimische Frauen befreit“. (mit dpa und afp)