Redeverbot für Politiker im Hörsaal

von Redaktion

Wagenknecht darf in Hamburg sprechen, Lindner und Lucke nicht: Uni-Streit um Meinungsfreiheit

Hamburg/München – Eigentlich will sich die Universität Hamburg aus Polit-Konflikten raushalten. Aktuell funktioniert das aber nicht besonders gut: Nach Auftrittsverboten und aggressiven Protesten gegen Politiker-Auftritte rückt die Uni in den Mittelpunkt einer bundesweiten Debatte: Wie viel (Partei-)Politik darf sein an einer Hochschule? Und was hält die Meinungsfreiheit aus?

Drei Fälle sorgen für Debatten, zwei davon in Hamburg. Linke-Chefin Sarah Wagenknecht darf an der Uni auftreten, in einer wissenschaftlichen Veranstaltung mit dem Titel „Modern Money Theory in Ökonomie, Gesellschaft und Politik“. Nicht gestattet hingegen: Eine Rede von FDP-Chef Christian Lindner bei der liberalen Hochschulgruppe „LHG Hamburg“ im November. Das eine sei wissenschaftlich, das andere eine politische Veranstaltung, argumentiert die Uni. Gegenüber dem „Tagesspiegel“ sagte Präsident Dieter Lenzen, die Universität sei kein „Ort für politische Streitigkeiten zwischen Parteien“.

Lindner reagiert empört. Er beschwerte sich per Brief bei der Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne). Er halte es für „höchst bedenklich“, dass die Uni Debatten ihrer Studenten mit Politikern wie ihm ablehne, schrieb er laut dpa.

Dass die Uni Hamburg einer politischen Diskussion ausweicht, könnte womöglich etwas mit den aggressiven Protesten gegen den Professor und AfD-Mitbegründer Bernd Lucke zu tun haben: Bei seiner ersten Vorlesung nach seiner Rückkehr an die Universität vor einer Woche war Lucke als „Nazi-Schwein“ beschimpft, körperlich bedrängt und am Reden gehindert worden. An dem Protest waren auch Mitglieder der „Antifaschistischen Aktion“ (Antifa) beteiligt. Gestern wurde seine Vorlesung erneut gestört: Etwa 10 bis 15 linke Demonstranten drangen in den Saal ein und skandierten Sprüche wie „Kein Recht auf Nazipropaganda“. Lucke beendete die Vorlesung und verließ den Saal.

Einzelfälle? Selbst im Bundestag sorgt das am Mittwoch fraktionsübergreifend für Kritik. In der „aktuellen Stunde“ des Parlaments rügen mehrere Redner die Blockade-Aktionen. Darunter übrigens Ex-Innenminister Thomas de Maizière (CDU): „Zur Meinungsfreiheit gehört, (…) dass ein umstrittener Professor, dessen Meinung mir nicht gefällt, in Hamburg eine Vorlesung halten kann.“

Er selbst wurde am Montagabend von rund 100 linken Aktivisten beim Göttinger Literaturherbst an der Lesung seines neuen Buches gehindert. Rund 300 Zuhörern blieb der Zutritt zu der ausverkauften Veranstaltung verwehrt. Die Blockade sei ein Protest gegen den Angriff der Türkei auf Nordsyrien – de Maizière sei mitverantwortlich für das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei, so die Demonstranten.

Für Bayern rät Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) den Hochschulen, dort müsse „ein offener Diskurs möglich sein“. Sibler verweist auf die Meinungsfreiheit. Die Unis sollten „gleichzeitig genau abwägen, welche Veranstaltungen sie zulassen können und welche nicht“. Parteipolitische Veranstaltungen an Unis sieht er ebenfalls kritisch – da solle man „Zurückhaltung üben“.

KATHRIN BRAUN

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