München – Ein bisschen klingt es wie beim Elternabend in der Grundschule. „Wir sind Saskia und Norbert“, sagt eines der Paare, das sich auf der SPD-Homepage als Bewerber um den Parteivorsitz präsentiert. Das Duzen ist Programm, auch Klara und Olaf stellen sich ganz unprätentiös mit Vornamen vor, während andere sofort zum Team verschmelzen und in der Wir-Form reden. Lediglich das Duo Nina Scheer/Karl Lauterbach spricht über sich in der dritten Person. Das wirkt ein bisschen distanziert, ist aber vermutlich nicht der Grund, warum die beiden nicht zu den Favoriten gehören.
Bis heute um Mitternacht können 430 000 SPD-Mitglieder darüber abstimmen, welche Frau und welcher Mann die Partei künftig führen sollen. Wenn am ersten Dezember-Wochenende die Doppelspitze ihren Dienst antritt, werden die Sozialdemokraten einen langen, zuweilen ermüdenden Weg zurückgelegt haben. 23 Regionalkonferenzen haben sie in acht Wochen hinter sich gebracht, eine siebenstellige Summe in die Hand genommen, elf Tage die Wahlurnen geöffnet. Wenn am Samstag das erste Ergebnis feststeht, wartet auf die Mitglieder aller Voraussicht nach auch noch eine Stichwahl. Dass ein Gespann im ersten Anlauf über 50 Prozent der Stimmen einstreicht, ist nicht zu erwarten.
Die Begeisterung über die gelebte Basisdemokratie, die die SPD anfangs erfasste, ist im Laufe der Monate weitgehend verpufft. Abzulesen ist das an der Wahlbeteiligung. Sonntagabend, nach knapp einer Woche, lag sie bei 30 Prozent. Nach all dem Aufwand der letzten Monate ist das ein überschaubarer Wert. Wie er sich seitdem entwickelt hat, behält die Partei strikt für sich. Bis zur Verkündung am Samstag werde es keine aktuellen Zahlen mehr geben, hieß es gestern.
Man kann in diese Zahlen einiges hineininterpretieren. Alles unter 50 Prozent wäre sehr bescheiden, und auch bei einem Wert knapp darüber ließe sich das Prozedere schwerlich als Erfolgsgeschichte verkaufen. An eine noch regere Teilnahme wagt ohnehin kaum mehr jemand zu denken.
Bis zum Schluss ist das Feld unübersichtlich und in Teilen regelrecht anonym geblieben. Mit Olaf Scholz, dem Vizekanzler und Finanzminister, ist nur ein politisches Schwergewicht im Rennen. Es gibt Halbprominente wie den früheren NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans, Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius oder Gesine Schwan, die zweimal für das Amt der Bundespräsidentin kandidierte. Aber auch manchen Bewerber, bei dem sich sogar SPD-Mitglieder erst mal schlaumachen mussten.
Walter-Borjans, der über Nordrhein-Westfalen hinaus durch den Kauf Schweizer Steuer-CDs bekannt wurde, und Saskia Esken gehören zu den aussichtsreichsten Anwärtern. Sie genießen hohes Ansehen bei der Partei-Linken, den Jusos und dem mächtigen NRW-Landesverband. In der entscheidenden Frage („Wie hältst Du’s mit der GroKo?“) äußern sie sich zurückhaltend, ohne ihre Skepsis zu verhehlen.
Die Rolle der SPD in der Regierungskoalition ist vor allem für Vize-Kanzler Olaf Scholz und seine Doppelpartnerin Klara Geywitz ein heikles Thema. An der Basis hat die GroKo nicht mehr allzu viele Anhänger. Scholz steht in ihren Augen für Stillstand, nicht für Aufbruch. Vor allem nicht für einen Aufbruch nach links.
Nicht mal ein Platz in der Stichwahl scheint dem Duo deshalb sicher. Den könnten ihm zum Beispiel Christina Kampmann und Michael Roth, das jüngste und für viele Beobachter flotteste Bewerbergespann, streitig machen. Der Europa-Staatsminister Roth sorgte vor ein paar Wochen für Aufsehen, als er Donald Trump einen „Rassisten“ nannte.
Die Regionalkonferenzen hatten durchaus auch ihre ruppigen Momente, aber ausgeteilt wurde hauptsächlich nach außen. Das hat die SPD begriffen in den turbulenten Tagen, als Andrea Nahles sich Hals über Kopf aus der Bundespolitik verabschiedete. Sie müssen netter zueinander sein. Die Saskia, der Norbert, die Klara und der Olaf.