Vatikanstadt – Selten, so berichteten Teilnehmer übereinstimmend, habe sich Weltkirche im Vatikan derart bunt und vielfältig gezeigt. Das lag nicht nur am farbenprächtigen Aufputz der indigenen Gruppen aus den neun Amazonas-Anrainerstaaten; auch das kulturelle und soziale Spannungsfeld hätte größer nicht sein können. „Meine Diözese ist halb so groß wie Bayern“, berichtet etwa der deutsche Missionsbischof Johannes Dahlmann aus Brasilien. „Die nächste Stadt befindet sich 800 Kilometer entfernt. Da geht es um die existenzielle Frage, wie man kirchliche Präsenz überhaupt sicherstellen kann.“ Und noch eine Zahl offenbart den Unterschied zum westlichen Kirchenverständnis. „70 Prozent meiner weitverstreuten Gemeinden werden von Ordensschwestern geleitet“, so Dahlmann. „Ein Priester kommt nur alle paar Wochen vorbei, um die Eucharistie zu feiern.“ Zufriedenstellend sei das nicht.
„Wir brauchen eine Präsenzpastoral, keine Besuchspastoral“, brachte es Kardinal Reinhard Marx auf den Punkt. „Wie kriegen wir das hin?“ Um Antworten auf diese Probleme haben die 185 Synodalen, gemeinsam mit Vertretern indigener Völker, Orden und Laiengruppen, drei Wochen lang im Vatikan gerungen: Pflichtzölibat, Charakter des Weiheamtes, Frauen als Diakoninnen. Die Kontroversen – die das Thema Ökologie in der medialen Wahrnehmung fast an den Rand drängten – beherrschten die Schlagzeilen. In welche Richtung sich dabei die Meinungsbildung bewegen würde, schien lange offen. Umso größer die Überraschung am Wochenende. Die Teilnehmer haben sich nicht gescheut, die heißen Eisen anzupacken. In dem 33-seitigen Papier, das gestern Papst Franziskus bei einer Messe im Petersdom überreicht wurde, erklären die Synodenväter: „Wir schätzen das Zölibat als Geschenk Gottes, insofern es dem missionarischen Jünger ermöglicht, sich als Priester ganz dem Dienst am Volk Gottes zu widmen.“ Aber, so die Bischöfe weiter, „die legitime Vielfalt schadet nicht der Gemeinschaft und Einheit der Kirche, sondern drückt sie aus und dient ihr“. Das Dokument schlägt vor, universale Kriterien festzulegen, um geeignete Männer zu identifizieren und zu fördern, die den geistlichen Weg einschlagen möchten. In erster Linie erfahrene und bewährte Diakone, gebildet und in stabilen Familienverhältnissen. „Solche Männer sollen für die Priesterweihe erwogen werden“, heißt es schwarz auf weiß. Den zwischen Reformern und Konservativen umstrittenen Begriff „Viri Probati“ vermeiden die Autoren. Weiter bitten die Synodalen den Papst um ein neues kirchliches Amt für Gemeindeleiterinnen in Amazonien. Ihre tragende Funktion bei der Seelsorge vor Ort solle damit aufgewertet werden. Franziskus sagte zu, das Diakonat für Frauen abermals von der Glaubenskongregation prüfen zu lassen. Breiten Raum nimmt im Dokument der ökologische Schutz Amazoniens und seiner Ureinwohner ein. So wird für „gerechte, solidarische und nachhaltige Entwicklung“ geworben. Das neue Paradigma müsse „sozial inklusiv“ sein, wissenschaftliche Erkenntnisse mit traditionellem Wissen versöhnen. Dem Raubbau und der Zerstörung des Regenwaldes aus kommerziellen Interessen hält die Synode entgegen: „Profit darf nicht höher stehen als Umweltfragen und Menschenrechte.“ Wie Indigene ihre Lebensräume schützten, sei eine gute Leitlinie für eine „neue Spiritualität der ganzheitlichen Ökologie“.
Formal hat die Synode rein beratenden Charakter; bindende Beschlüsse kann sie nicht fällen. Inwieweit die Empfehlungen auch auf die übrige Kirche angewendet werden können, bleibt offen. Die Schlussfolgerungen aus dem Papier muss Papst Franziskus ziehen. Das soll noch in diesem Jahr mit einem Lehrschreiben geschehen.