Homöopathie-Streit im Landtag

von Redaktion

Mit einer Studie wollen CSU und Freie Wähler prüfen, ob Homöopathie im Kampf gegen multiresistente Keime helfen kann. Scharfe Kritik kommt nicht nur von der SPD, sondern auch aus der Medizin.

VON SEBASTIAN HORSCH

München – Bernhard Seidenath kann die Kritik nicht nachvollziehen. Der CSU-Politiker kämpft gegen multiresistente Keime. Das Problem: Weil insgesamt zu viele Antibiotika verabreicht werden, werden Bakterien gegen Arzneimittel resistent, und können kaum noch wirkungsvoll bekämpft werden. „Wenn wir nichts tun, sterben daran im Jahr 2050 mehr Menschen als an Krebs“, sagt der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Landtag. „Wir müssen alle Register ziehen.“

Deshalb will Seidenaths CSU-Fraktion heute gemeinsam mit dem Koalitionspartner Freie Wähler im Landtag ein Maßnahmenpaket beschließen, zu dem auch eine Studie gehört, die für Wirbel sorgt, bevor sie überhaupt erhoben wurde. Denn die Untersuchung soll klären, wie der Einsatz von Antibiotika verringert werden kann – und zwar unter Beleuchtung „alternativmedizinischer Methoden“ und von „ergänzend verabreichten homöopathischen Präparaten“, wie es im Antrag heißt. Setzen CSU und Freie Wähler im Kampf gegen tödliche Bakterien also auf Homöopathie?

Die SPD zeigt sich schockiert. Sie habe nichts gegen Homöopathie, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin Ruth Waldmann unserer Zeitung. Aber doch bitte nicht, wenn es um ernsthafte Erkrankungen durch multiresistente Keime geht. Eine solche Studie sei bestenfalls überflüssig, weil es bereits jede Menge „hervorragende Forschung“ gebe, die belege, dass Homöopathie dagegen nichts ausrichten kann. „Es ist gefährlich, sich über Erkenntnisse der Wissenschaft hinwegzusetzen“, sagt Waldmann. „Man spielt da auch mit der Hoffnung von kranken Menschen.“ Wenn die Regierung, die sich gerne mit Bayerns Forschungs-Einrichtungen brüste, nicht mehr auf die Wissenschaft vertraue, solle sie es offen sagen.

Noch deutlicher wird Christian Lübbers. Der Weilheimer HNO-Arzt ist Sprecher des kritischen „Informationsnetzwerks Homöopathie“, das die Landtagsabgeordneten in einem offenen Brief auffordert, den Antrag abzulehnen. Lübbers sagt: „Es ist großer Quatsch, wenn Fraktionen auf so einen Mist reinfallen.“ Er unterstütze das Anliegen, den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren. Aber: „Das ist der falsche Weg.“ Seit 220 Jahren gebe es Homöopathie, und seither hätten alle gut gemachten Studien eindeutig belegt: „Sie wirkt nicht über den Placebo-Effekt hinaus.“ Zwar berufen sich auch CSU und Freie Wähler in ihrem Antrag auf mehrere Studien, doch diese seien aus wissenschaftlicher Sicht von „ungenügender Qualität“ und die getroffene Schlussfolgerung damit „nicht haltbar“. Vor einer Untersuchung von „Scheintherapien“ wäre das Geld also besser in Aufklärungsarbeit darüber investiert, wann es Antibiotika wirklich braucht, und wann nicht, sagt Lübbers.

Seidenath hält solche Urteile für zu pauschal. Es sei „fatal, von vornherein zu sagen, das ist alles Scharlatanerie“, sagt der CSU-Politiker. „Wir müssen das untersuchen dürfen.“ Er wolle sich in 30 Jahren nicht vorwerfen lassen, im Kampf gegen multiresistente Keime nicht alles versucht zu haben. Die Ansätze beschränkten sich ja keineswegs auf Homöopathie.

In dem Maßnahmen-Paket geht es tatsächlich um weit mehr. Lieferengpässe bei der Antibiotikaproduktion sollen genauso verhindert werden wie die Bildung von Resistenzen. Und mit der „fundierten, evidenzbasierten Studie“ wolle man eben „eine Faktengrundlage schaffen“, wie der Einsatz von Antibiotika reduziert werden kann, sagt Seidenath. Auch die Grünen haben zumindest im Gesundheitsausschuss mit CSU und Freien Wählern dafür gestimmt. Wer die Untersuchung durchführen soll, sei noch offen, sagt Seidenath. Auch die Kosten könne man noch nicht beziffern. Ausgehend von vergleichbaren Studien rechnet er aber mit einem Rahmen von 300 000 bis 400 000 Euro.

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