„Das ist Politik zum Abgewöhnen“

von Redaktion

Norbert Walter-Borjans, Kandidat für den SPD-Vorsitz, über die Folgen des CDU-Parteitags

Der große Knall in der Union blieb aus – doch der Koalitionspartner SPD sieht die Zukunft der Koalition weiter skeptisch. Norbert Walter-Borjans, der zusammen mit Saskia Esken für den SPD-Vorsitz kandidiert und mit dem Koalitionsende liebäugelt, sieht in den CDU-Personalstreitigkeiten die eigentliche Belastung für die GroKo.

Trotz Streits im Vorfeld verlief der CDU-Parteitag erstaunlich harmonisch. Kann sich da die SPD eine Scheibe von abschneiden?

Nein. Die Ankündigungen vor jedem Parteitag der CDU, dass Meinungsverschiedenheiten zur Sprache kommen und ehrlich um Antworten gerungen wird, haben genauso Tradition wie die scheinbare Grabesruhe, in der das jedes Mal endet. Die nächsten Schüsse aus der Kulisse sind damit angelegt. Das ist Politik zum Abgewöhnen. Zur Häme besteht aber kein Anlass. Ein Vorbild sind die Konservativen mit ihrer vollmundigen Ankündigungspolitik und den anschließenden Bettvorlegerlandungen aber nun wirklich nicht. Da lobe ich mir die manchmal anstrengende, offene Debattenkultur der SPD.

Sichert dieser Parteitag den Fortbestand der Großen Koalition?

Die anhaltenden Personalquerelen in der CDU werden zunehmend zur Belastung für die Große Koalition. Wenn sich die CDU bis zur nächsten Bundestagswahl einzig mit der K-Frage und Profilierungsversuchen ihrer Vorsitzenden beschäftigen möchte, anstatt politische Antworten auf die Fragen unserer Zeit zu finden, verfestigt sie ihre Rolle als Bremsklotz für jedwede Art fortschrittlicher Politik.

Annegret Kramp-Karrenbauer wird ihre Partei nun mit konkreten Erfolgen beschwichtigen müssen. Erschwert das die Koalition mit der SPD?

Wie sich die CDU zukünftig inhaltlich positioniert, bleibt vielen nach dem Parteitag weiterhin schleierhaft. Annegret Kramp-Karrenbauer kann selbstverständlich ihre Maximalpositionen beschreiben. Dafür treten wir ja auch an. Nur so kann man für beide vertretbare Kompromisse ausloten – oder zu dem Ergebnis kommen, dass es keine Schnittmenge gibt, ohne dass mindestens einer der Koalitionspartner seine Glaubwürdigkeit opfert.

Friedrich Merz nannte in seiner Rede die SPD „strukturell illoyal“. Hat er da auch Sie und Ihre Kandidatur um den SPD-Vorsitz gemeint?

Dass ausgerechnet Friedrich Merz über Illoyalität redet, ist fast schon amüsant. Die SPD dabei ins Spiel zu bringen, ist der verzweifelte Versuch, den Fokus der notorischen Illoyalität von der eigenen Person auf den politischen Wettbewerber in seiner Gesamtheit zu schieben. Durchsichtiger geht es nicht.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat die Parteifreunde davor gewarnt, für Sie und Saskia Esken zu stimmen, weil Esken Dinge von sich gegeben habe, „bei denen sich mir die Nackenhaare sträuben“. Wie sehr schadet das Ihren Siegchancen?

Saskia Esken und ich treten für eine SPD an, bei der man wieder weiß, wofür sie steht und dass sie steht, wenn es darauf ankommt. Dass unsere Positionen dabei nicht nur auf Zustimmung stoßen, ist auch eine Art von Bestätigung. Vor diesem Hintergrund sehen wir die Aussagen relativ gelassen.

Interview: Klaus Rimpel

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