Ein Hoffnungsträger wider Willen

von Redaktion

CSU-Chef Markus Söder fliegen auf dem CDU-Parteitag in Leipzig die Herzen zu. Mit seinem Gastauftritt bringt er sich erneut als möglicher Kanzlerkandidat ins Gespräch. Auch wenn Söder selbst davon nichts wissen will.

VON SEBASTIAN HORSCH

Leipzig – 1001 Delegierte sind hin und weg. So gut wie alle haben sich auf dem CDU-Parteitag in Leipzig jetzt von ihren Sitzen erhoben, sie klatschen rhythmisch und hören nicht auf, bis Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer den Redner noch einmal auf die Bühne bittet. Der nimmt dankend an, winkt auf dem Weg zurück nach oben ins Publikum. Es wird gejubelt, es wird gepfiffen – auf die anerkennende Weise. Dann ruft Kramp-Karrenbauer ins Mikrofon: „Lieber Markus, das ist dein Applaus!“

Moment mal? Markus? Tatsächlich ist es nicht etwa Friedrich Merz, der hier von seinem Parteitag gefeiert wird, es ist auch nicht Armin Laschet oder Jens Spahn. Nein, der CDU-Parteitag feiert seit mehreren Minuten Markus Söder, den Chef der kleinen Schwester CSU, Ministerpräsident von Bayern – und für viele hier offenbar ein Hoffnungsträger.

Wer hätte das gedacht. Gerade 18 Monate ist es her, dass sich die Unionsparteien über Grenz- und Zuwanderungsfragen völlig zerstritten hatten. Und nun jubeln die CDU-Delegierten dem CSU-Chef zu. Es sei damals „weder für uns, noch für euch ein gutes Signal“ gewesen „wenn Schwestern sich streiten“, hat Söder ihnen vor wenigen Minuten gesagt. Weil es wichtig sei, dass die Union geschlossen auftritt. Statt ständig zu lamentieren, müsse sie gemeinsam stolz darauf sein, dass sie vier Wahlen in Folge gewonnen hat und seit 14 Jahren regiert. „Lädt man jemanden privat zu sich nach Hause ein, von dem man weiß, dass er die ganze Zeit jammert?“, fragt Söder den Saal. „Die Leute spüren genau, ob jemand Lust am Regieren hat, oder es als Last empfindet.“

Die Grünen, die wüssten, wie man Freude verbreitet. Deshalb sei auch nicht die SPD bei der nächsten Bundestagswahl der Hauptgegner für die Union. Wer glaube schon, dass es ein TV-Duell mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans gebe? Nein, achten müsse man auf die Grünen, die Fleisch verbieten wollten, aber Drogen erlauben. Die für mehr Mobilfunk seien, aber mit Hilfe von Bürgerinitiativen, „die sie per SMS koordinieren“, neue Masten verhindern. „Natürlich haben die Grünen Moral, noch mehr Moral als wir, sie haben nämlich Doppelmoral“, ruft Söder. Der Saal lacht, klatscht, ist entzückt.

Doch Söder will nicht nur lustig sein. Noch schärfer als alle anderen Redner greift er die AfD an, die „zurück in die 30er-Jahre“ wolle. Söder nennt die Rechtspopulisten mehrmals „den Feind“, mit dem man „nicht rumspielen“ dürfe. Die AfD sei die neue NPD. „Mit solchen Leuten macht man nichts, sondern man bekämpft sie.“ Auch hierfür bekommt er langen, warmen Applaus geschenkt.

Söder trifft in Leipzig einen Nerv. Gleichzeitig hat er von allen, denen man in der Union derzeit einen Führungsanspruch zutraut, den besten Auftritt. Kramp-Karrenbauer kämpft ums Überleben, Merz rudert taktisch zurück, Spahn und Laschet treten wenig in Erscheinung – der Gast aus München hingegen glänzt. Damit steht schnell wieder die Frage im Raum, ob es nicht an der Zeit für den dritten CSU-Kanzlerkandidaten nach Strauß und Stoiber sein könnte. In Umfragen unter Unionswählern schneidet Söder bereits heute besser ab als die CDU-Chefin.

Doch Söder will gar nicht Kanzlerkandidat werden, zumindest nicht 2021. So erzählen er und seine Leute es. Nur mag ihm das in der CDU niemand so recht glauben. In den Lagern derer, die selbst Interesse an einer Kandidatur haben dürften, haben sie ihn auf der Rechnung. Denn, so glauben sie: Sollte Söder plötzlich doch Ansprüche anmelden, kommt man um ihn als ernsthafte Option nicht mehr herum. Erst recht nicht nach diesem Auftritt.

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